Artenschutz in der Großstadt: Selbst Ratten sterben aus
Der Säugetieratlas zählt 54 wild lebende Arten in Hamburg . Zwar sind einige Spezies wiedergekommen. Richtig gut aber geht es den wenigsten.
Hamburg taz | Am 29. Juli ging er in die Falle, der erste seit 200 Jahren in Hamburg geborene Biber. Zum Glück nur in eine von Naturschützern aufgestellte Fotofalle, womit der Nachweis erbracht werden konnte, dass der große Nager wieder heimisch ist.
Der Biber breitet sich von der Mittelelbe kommend im Osten und Süden der Stadt entlang der Elbe aus, der ebenfalls wieder zugezogene Fischotter zusätzlich im Norden an der Oberalster. Beide profitieren von der verbesserten Wasserqualität und der größeren Durchlässigkeit der Gewässer, freute sich Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Dienstag bei der Vorstellung des Säugetieratlasses. Gesichert ist ihr Überleben noch lange nicht. Der Fischotter gilt noch immer als gefährdet, der Biber als stark gefährdet.
Nur jede vierte Art ist ungefährdet
54 wildlebende Säugetierarten weist der Atlas, der erste seit 2002, nach, doch nur 13 davon gelten als ungefährdet (27 Prozent): Eichhörnchen, Dachs und Steinmarder, Rotfuchs und Wildschwein, Reh, Dam- und Rotwild, Seehunde sowie mehrere Mäusearten sind in ihrem Bestand nicht bedroht. Kurz vor dem Aussterben steht hingegen die Hausratte, die seit Jahren nur noch vereinzelt nachgewiesen wird. Ihr wird die größere Sterilität und Hygiene moderner Bauten sowie die zunehmende Konkurrenz durch die Wanderratte zum Verhängnis.
Rote Listen gefährdeter Arten werden von der Weltnaturschutzunion oder nationalen Stellen veröffentlicht. Sie gelten als wissenschaftliche Empfehlungen an Gesetzgeber und Behörden. In Hamburg stehen auf der Roten Liste der Säugetiere:
ausgestorben: drei Arten
vom Aussterben bedroht: eine Art
stark gefährdet: fünf Arten
gefährdet: drei Arten
unbekannte Gefährdung: elf Arten
Vorwarnliste: fünf Arten
ungenügende Datenbasis: sieben Arten
ungefährdet: 14 Arten
Besonders artenreich ist Kerstan zufolge der Nordosten der Stadt rund um den Duvenstedter Brook sowie die großen waldähnlichen Parks wie den Ohlsdorfer Friedhof. Auch rund um den Klövensteen im Westen, in den Harburger Bergen sowie den Vier- und Marschlanden wurden besonders viele Säugetierarten nachgewiesen. Teilweise bis in die Innenstadt wagen sich Füchse, Rehe und Wildschweine vor.
Mehr Naturschutzgebiete geplant
Artenreich sind zudem die 32 Naturschutzgebiete. Drei weitere in Allermöhe, Neuland und Volksdorf sollen bis 2018 ausgewiesen werden. Dann stünden in Hamburg 9,5 Prozent der Landesfläche unter Naturschutz – Spitzenwert in Deutschland.
Bis dahin sollen auch Pflege- und Entwicklungspläne für alle Naturschutzgebiete erstellt worden sein. Bislang ist dies nur bei dreien der Fall – sehr zum Missfallen von Naturschutzgruppen, die in vielen Fällen die Pflege der Gebiete übernommen haben, ohne verlässliche Zusagen der Stadt, wie ökologische Qualitätsziele umgesetzt und finanziert werden sollen.
„Hamburgs Natur braucht mehr als die Bestandsaufnahme einzelner Spezies“, moniert auch der FDP-Umweltpolitiker Kurt Duwe. Notwendig sei „eine Strategie, die über den Flickenteppich von Naturschutzgebieten hinausgeht“, findet er.