piwik no script img

Wahlkampf am Ostseestrand

TAZ-SERIE: DIE LETZTEN DER LISTEN Bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern kandidiert der Strandkorbvermieter Mayk Borchardt auf dem hintersten Listenplatz der CDU

aus Zinnowitz Felix Hackenbruch

Wer zu Mayk Borchardt will, braucht Geduld. Oder ein Boot. Denn Borchardt wohnt mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in Zinnowitz auf der Ostseeinsel Usedom. Die nächste Autobahn endet gute 50 Kilometer entfernt bei Greifswald, und auf die Insel selbst führt nur eine Brücke, die mehrmals am Tag für den Schiffsverkehr hochgeklappt wird. Wer es dann auf die schmale Nordhälfte Usedoms geschafft hat, reiht sich häufig in Staureihen ein.

Die Verkehrspolitik ist eines von Borchardts Hauptthemen. „An An- und Abreise- sowie Schlechtwettertagen ist das Chaos auf den Straßen vorprogrammiert. Der Deutsche nimmt sein Auto ja am liebsten direkt mit an den Strand“, sagt er. Borchardt, blaue Augen, braungebrannt und mit glänzender Glatze, bezeichnet sich selbst als „Halbtagspolitiker“. Der 50-Jährige ist Vorstand des CDU-Regionalverbands und arbeitet in verschiedenen Ausschüssen der Gemeinde Zinnowitz. Sein Geld verdient Borchardt aber im Tourismus. Er ist Herr über 200 Strandkörbe. Im Sommer vermietet er sie, im Winter organisiert er die Strandkorb-Sprintweltmeisterschaften am Strand von Zinnowitz.

Was vor 15 Jahren als Spaßveranstaltung begann, hat sich zu einem Tourismus-Event mit Livemusik und Feuerwerk entwickelt. ­„Ministerpräsident Sellering ist mittlerweile Schirmherr“, sagt er stolz. ­Weniger erfolgreich verlief bisher Borchardts politische Karriere. In den Kreisvorstand wurde er nicht gewählt, und für die Landtagswahl setzte ihn die CDU zwar auf die Landesliste, aber auf den letzten Platz. Zufrieden sei er trotzdem: „Als junges Parteimitglied erfüllt mich das mit Stolz“, sagt Borchardt, der 2013 am Abend von Merkels Wahlsieg CDU-Mitglied wurde.

„Wir Insulaner haben in Schwerin einfach keine Stimme“

Mayk Borchardt

Dass er nun den Strandkorb gegen einen Sitz im Landtag eintauschen will, hat einen Grund: „Wir Insulaner haben in Schwerin einfach keine Stimme, die für unsere Interessen kämpft.“ Als kleines Vorpommern und als noch kleineres Usedom falle man bei vielen Entscheidungen hinten runter. Vor allem die Kreisstrukturreform hält er für „fatal“.

Nacheinander wurden aus der ehemaligen Kreisstadt Wolgast das Arbeitsamt, das Finanzamt und das Amtsgericht verlegt. Erst im Januar wurde dann auch noch die Kinder- und Geburtsstation geschlossen. „Das sind Dinge, die eigentlich überhaupt nicht gehen. Klar muss man sparen, aber man kann das nicht dem kleinen Mann aufbürden“, sagt Borchardt. Eigentlich müsse man diese Entscheidungen rückgängig machen, findet er, obwohl die Strukturreform auch von der CDU mitgetragen wurde.

Ein typisches CDU-Mitglied gibt Borchardt sowieso nicht ab. Zwar trägt er Karohemd, silberne Uhr und sitzt in seinem Garten, der durch akkurat gestutzten Rasen und Hackschnitzel unter den Rosensträuchern besticht. Aber Borchardt hat auch eine andere Seite. Vor seiner Garage steht ein PS-starkes Motorrad, und unter seinem Hemd versteckt sich ein Seefahrer-Tattoo auf dem Armrücken – ein Andenken an ein früheres Leben, als Borchardt noch zur See fuhr. „1983 war mein erster Hafen gleich Rotterdam“, erinnert er sich mit einem Lächeln im Gesicht.

Warum er 2013 in die CDU eintrat, kann er selbst nicht so ganz erklären. „Ich wurde eben konservativ erzogen“, sagt er und zuckt die Schultern. Überhaupt scheinen seine Themen nicht ganz so strikt an das CDU-Parteiprogramm gebunden zu sein. Nur beim Thema Sicherheit ist er ganz auf Linie: „Die Einbruchstatistik ist deutlich gestiegen, und der Bedarf nach neuen Polizisten ist auf jeden Fall gegeben“, sagt er und macht sich für die von der CDU geforderten 555 neuen Stellen stark.

Dass das verantwortliche Innenministerium unter CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier konsequent gespart hat, irritiert Borchardt nicht. Diskussionen darüber findet er „mühsam“, schließlich sei man nur Juniorpartner gewesen. „Worüber wir jetzt sprechen sollten, ist unser Programm für die kommende Legislaturperiode.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen