Jörn Kruse über Parallelgesellschaften: „Ich bin ein liberaler Mensch“
Jörn Kruse, Fraktionschef der AfD in der Hamburger Bürgerschaft, über Parallelgesellschaften, Multi-Kulti und rechtsextreme Tendenzen in der AfD
taz: Herr Kruse, Sie sagten unlängst, Sie würden sich für einiges in der AfD „schämen“ und hielten das Bundesprogramm in Teilen für „schwachsinnig“. Stehen Sie noch dazu?
Jörn Kruse: Zu diesen Formulierungen stehe ich nicht mehr. Ich war einfach furchtbar enttäuscht über manche Beschlüsse. Heute würde ich sagen, das Programm ist stark überarbeitungsbedürftig.
Warum sind Sie noch in der AfD?
Meine Kritik bezog sich auf die Bundespartei, nicht auf die Hamburger. Und mein Nachfolger als Parteivorsitzender hier in Hamburg, Bernd Baumann, macht gute Arbeit, damit bin ich einverstanden.
Baumann will „durch links-grüne Ideologie zerstörte Grundlagen abendländischer Gesellschaften wieder zum Leben erwecken“. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Diese Formulierung würde ich nicht zu meiner machen. Das ist schon etwas zugespitzt. Den Untergang des Abendlandes würde ich nicht beschwören.
67, emeritierter Professor für Wirtschaftspolitik, ist seit 2011 Fraktionschef der AfD in der Hamburger Bürgerschaft.
Der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf war Mitglied der Republikaner, ist Alter Herr der Burschenschaft „Danubia“, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und bezeichnet sich als „nationalliberal“: Auch nicht Ihre Worte?
Mit Nationalismus habe ich nichts am Hut. Ich bin im Kern ein liberaler Mensch.
Warum sind Sie dann in der AfD zusammen mit Männern, die solche Dinge sagen?
Ich habe immer noch die Hoffnung, dass die AfD eine konservativ-bürgerliche Partei bleibt oder wird. Wenn Leute wie ich die Partei verlassen würden, würde sie möglicherweise nach rechts unten abrutschen. Das will ich verhindern.
Sie wollen die AfD davor bewahren, rechtsextrem zu werden?
Ja, nicht ich persönlich, aber Leute wie ich. Viele davon, die das intellektuelle Rückgrat der Partei gebildet haben, sind leider im Sommer 2015 ausgetreten. Das war ein schwerer Fehler. Leute wie ich machen deutlich, dass es in der Partei auch noch zahlreiche bürgerlich-liberale Kräfte gibt. Die stehen dafür, dass die AfD fest auf dem Boden unserer freiheitlichen Verfassung und in der Mitte der Gesellschaft verankert bleibt.
Aus anderen Fraktionen in der Bürgerschaft ist zu hören, dass die AfD sich der parlamentarischen Arbeit meist verweigert und sich als Opfer der etablierten Parteien geriert.
Das ist kompletter Unsinn und eine vorsätzliche Verleumdung. In der parlamentarischen inhaltlichen Diskussion fällt ihnen häufig nicht viel ein. Die grenzen uns aus, zum Teil auf Anweisung ihrer Parteiführungen in Berlin. Das sieht man zum Beispiel daran, dass keiner unserer Anträge zur Beratung in einen Ausschuss überwiesen wird, wie das eigentlich üblich ist. Die werden rundweg abgelehnt, bloß weil sie von uns kommen.
Das Hamburgische Verfassungsgericht hat Ende Juli die Klage der AfD gegen die Bürgerschaft als unzulässig abgewiesen. Sie wollten ihre Berücksichtigung in der Härtefallkommission erstreiten, die Ihnen nach Ihrer Auffassung von der Parlamentsmehrheit versagt wird. Wie geht es jetzt weiter?
Das Verfassungsgericht hat sich für „nicht zuständig“ erklärt und uns empfohlen, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. Das werden wir jetzt machen.
Sie erheben Klage vor dem Verwaltungsgericht?
Ja. Wir werden unser Recht einklagen.
Parlamentspräsidentin Carola Veit (SPD) hat nach dem Spruch des Verfassungsgerichts ein vermittelndes Gespräch mit allen Fraktionen angeboten. Werden Sie das also nicht annehmen?
Das hat sie der Presse gesagt. Wir haben noch kein derartiges Angebot von ihr erhalten.
Würden Sie es denn annehmen?
Natürlich.
Eines ihrer ursprünglich neun Fraktionsmitglieder hat die AfD bereits durch Austritt verloren. Haben Sie die Hoffnung, dass die Restfraktion die Legislaturperiode durchhält?
Ja, natürlich. Der Einzige, der nicht zu uns passte, ist weg. Ich bin zuversichtlich, dass die Fraktion jetzt stabil ist.
Sie selbst wollen Fraktionschef bleiben und stellen sich im September zur Wiederwahl?
Ja.
Wie stehen Ihre Chancen?
Das wird sich dann zeigen.
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