Das Medienhaus an der Rudi-Dutschke-Straße | Manchmal ruheständlerisch. Immer gesprächsbereit

Boulevard der Besten
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Foto: privat

Ralph Brühl

Dieser Kollege ist jetzt umgezogen. Nach Hamburg. Seine alte Liebe, seine grundlegende Liebe: Hamburg. Dort wird er leben, seine Liebste – und er natürlich auch – müssen sich aufs Reisen einrichten, pendeln zwischen der Hauptstadt und Hamburg eben: Ralph Brühl kann nicht ohne den Geruch von Elbe in der Nase.

Geboren 1956 in Borgfelde, einem damals noch kriegszerstörten Viertel im Osten Hamburg, kam er, der glühende HSV-Fan, 1987 nach Berlin. Das sind fast 30 Jahre im Stimmenmeer Berliner Mundart, aber dieser Kollege hat sich jeder Anpassung verweigert: Sein sehr schönes Hamburgisch hat er sich erhalten. 1992 kam er zur taz und wurde zu einer Art Urgestein des Hauses. Seine Stimme kennen auch fast alle, die tagsüber in der taz anrufen: Ralph Brühl saß am Empfang unseres Hauses an der Rudi-Dutschke-Straße.

Kompetent, gerecht – und mit Herz

Auf dem Posten kann nicht jeder gut sein, ständig kommen tazler und brauchen irgendetwas, wollen Lieferanten den richtigen Empfängern zugewiesen sein und der Postbote trotz zahlloser Kisten voller Briefe und Päckchen bei Laune gehalten werden. Dazu klingelt das Telefon unentwegt. Aber Ralph hat durch seine bestimmte, sonore wie umgängliche Weise jedeN freundlich erhört – und Anrufer*innen im Falle von wichtigen Anliegen telefonisch mit den richtigen Personen, meist Redakteur*innen, in Verbindung gesetzt.

Ralph Brühl war nur sehr selten am Empfang unkonzentriert, ja, einer erzählte, einmal wäre Ralph fast abwesend gewesen, wie in einer anderen Welt. Das konnte nur im Juni oder im frühen Juli gewesen sein, und dies am späten Nachmittag: Dann guckte er sein allergrößtes Sportereignis, nämlich die Tour de France. Übers Radfahren konnte man mit ihm reden wie über nichts anderes. Kompetent, gerecht und mit Herz. Insofern lenkten ihn Anliegen von außen nicht in jeder Hinsicht ab, aber er musste knapper auf die Wünsche von außen eingehen.

Wäre die Vokabel vom „Original“ nicht so bis zur Fadenscheinigkeit abgebürstet, müsste man diesen Jetzt-Pensionär als ein solches bezeichnen. Einer, der noch Beatmusik kennt und Rock aus den Anfangstagen: Kultur, die sich ihm in die Haut schrieb, mit Lust. Im Übrigen wollte er 1987 nur kurz in Berlin bleiben, aber Dinge ändern sich, wenn man nicht so sehr festgelegt ist. Ralph Brühl hat gleichwohl nie verwunden, in all den Jahren Hamburg verlassen zu haben.

Ein feiner Kerl, frei- und eigensinnig. Nun hat er mit Wein und Keksen die taz verlassen: Er wird in Hamburg seinen Weg weitergehen und der Liebe wegen bitte doch noch oft in Berlin verweilen. Soll ja nicht alles ein Missverständnis gewesen sein. Danke, Ralph, dass du da warst! Jan Feddersen