: Einblick(635)
Fadi al-Hamwi, Bildender Künstler
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?FaH: Die letzte Arbeit von Ai Weiwei in Berlin, bei der er die Säulen des Berliner Konzerthauses mit 14.000 geborgenen Rettungswesten von Flüchtlingen umwunden hat und Celebrity-Gäste der Berlinale darum bat, sich in metallisierten Rettungsdecken fotografieren zu lassen und damit Selfies zu machen. Ein berühmtes Gebäude zu bedecken mit diesen 14.000 Rettungswesten, die von 14.000 Menschen unter Angst und Schmerzen getragen wurden – während sie sich von der Türkei aus durch das Mittelmeer gekämpft haben und auf der griechischen Insel Lesbos gelandet sind – einfach um Aufmerksamkeit auf diese Menschen zu lenken, die versucht haben, vor Krieg zu fliehen, zeigt die Situation in keinem neuen Licht. Sie wird so gezeigt, wie wir sie bereits gesehen haben, und dringt dabei konzeptuell nicht auf ein anderes Level oder eine andere Bedeutungsebene vor, sondern stellt sie in den gleichen Kontext wie die meisten Medien.Welches Konzert oder welchen Veranstaltungsort in Berlin kannst du empfehlen?
Den Flohmarkt am Mauerpark und den Tiergarten.
Welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?
„The Saviours of God“ von Nikos Kazantzakis.
Was ist dein nächstes Projekt?
Nächsten Oktober mache ich in Dänemark zehn Workshops in zehn dänischen Schulen über syrische Kunst im Exil. Wir kommunizieren mit Schülern im Alter von 12 bis 16 über die Situation in Syrien und über Immigration – auf andere Art, als sie es durch die Medien erfahren. Außerdem arbeite ich an einem experimentellen Videoprojekt über meine Bewegungen zwischen Ländern, seit ich Syrien verlassen habe, über meine Erfahrungen und Gefühle von Zugehörigkeit.
Fadi al-Hamwi(*1986, Damaskus, Syrien), Maler, Video- und Installationskünstler. Lebt und arbeitet in Berlin. 2010 B. A. in Bildender Kunst an der Universität Damaskus. Zahlreiche internationale Ausstellungen, unter anderem „Nord art“, Hamburg, 2015.; „Society – 180 Degree“ (Solo), ART HOUSE gallery, Damascus, 2012. Seine Arbeit „Irrational Loop“ ist zurzeit Teil der Ausstellung „Vacancies!“ in der Galerie Wedding (s. oben).
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?
Ich bin noch dabei, Berlin zu entdecken. Jeden Tag besuche ich nette und interessante Orte, aber am meisten genieße ich mein Studio, das ich mit drei deutschen Künstlern teile.
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