der rote faden : Vertrauensverlust – wenn der Populismus zum Algorithmus wird
durch die woche mit Meike Laaff
Jetzt also auch noch der Funkschlüssel. Bei 100 Millionen Volkswagen sei der unsicher, zeigten Sicherheitsforscher in dieser Woche. Ein Ouip-ouip oder ein trockenes Klack, schon ist die Autotüre offen – eine Technologie, die schon etwa so lange verbaut wird, wie Kurt Cobain tot ist. Erst die Geschichte mit den schön geschummelten Abgaswerten bei VW und dann auch noch Millionen Fahrzeuge der offenen Tür: Das zementiert den Eindruck, dass dem Autobauer aus Wolfsburg seine Kunden wurscht sind.
Wen so was tröstet, der darf versichert sein, dass es schlimmer natürlich immer geht. In Houston, Texas, zum Beispiel. Da wurden zwei Männer verhaftet, die sich nicht nur in über hundert Autos gesetzt, sondern sie per Laptop auch geknackt und geklaut haben sollen. Rein, Rechner angeschlossen, binnen zwei Minuten die Anlassersoftware gehackt und weggefahren – dass das möglich ist, ist bekannt. 2015 demonstrierten Hacker noch weitreichendere Folgen dessen, dass Neuwagen längst Computer auf vier Rädern sind. Sie übernahmen die Kontrolle über einen Jeep in voller Fahrt.
Da sind sie wieder, der Vertrauensverlust und die Verunsicherung: zwei Erklärungsansätze, vor deren Folie man ohnehin fast alle aktuellen Ereignisse sehen muss, um überhaupt noch zu verstehen, wie schnell und ruinös sich die Dinge entwickeln. Denn anders als wegen Verunsicherung ist nicht zu verstehen, warum dem deutschen Innenminister der Anschlag von München reicht, um jetzt schon wieder das x-te Sicherheitspaket nach 9/11 durchzudrücken. Oder warum Unionspolitikern jetzt auch noch einfällt, ihre Evergreens Burkaverbot und das Verbot doppelter Staatsbürgerschaft ins Rennen zu schicken. Was das mit dem Unterbinden von Terroranschlägen zu tun haben soll? Nichts natürlich. Eher mit einem schönen Gruß an alle AfD-Sympathisanten: Guckt mal, wir haben auch noch ein paar aufrechte Fremdenfeinde in den Parteien! Und auch in dieser Woche gilt natürlich weiter: Anders als mit Vertrauensverlust ist nicht zu verstehen, dass irgendjemand Populisten wie Donald Trump für geeignet hält, frischen Wind in die Politik zu bringen.
Von ihm über den Brexit bis hin zum flächendeckenden Rechtspopulismus in Europa – bedenklich daran ist vor allem, dass derzeit die Grundlage für Diskussionen flöten geht. Erkennt (mindestens) eine Seite immer weniger Fakten an, fühlt sie sich ständig getäuscht und zaubert ihre eigenen Wahrheiten aus dem Hut. Dann kann man zwar noch Worte miteinander wechseln, sein eigenes Weltbild für die eigene Anhängerschaft in den Raum stellen. Dialog ist dann aber nicht mehr möglich.
Woran natürlich auch das Internet mit schuld ist. Beziehungsweise die Unfähigkeit der Menschen, mit ihm klarzukommen. Denn obwohl dort so viele Informationen und Fakten wie nie verfügbar sind, müssen Weltbild, Meinung und Haltung als Kompass dafür herhalten, welche Informationsschnipsel Leute für gültig erachten und welche nicht.
Interessant ist an diesem Wust, dass in den Niederungen des Alltags parallel dazu die Flucht ins scheinbar Objektive stattfindet: in Zahlen und Nummern, in Algorithmen, die uns die öden Banalitäten des Alltags doch bitte abnehmen oder zumindest erleichtern sollen. Errechnete Ordnung in einer chaotischen Welt. Zumindest scheinbar. Was aber auch nicht funktioniert. Jüngstes Beispiel: eine Studie, die erneut Rassismus in Google-Suchergebnissen nachweist. Zum Stichwort „schöne Frau“ spuckte die Bildersuche in den USA, in Deutschland und vielen anderen Ländern überproportional häufig Fotos weißer Frauen aus, zu „hässliche Frau“ überproportional häufig schwarze oder asiatische. Es existieren diverse Studien, die Ähnliches zeigen – und immer wieder die Henne-Ei-Frage stellen: Wurzelt derartiger Rassismus in unsensibler Softwareprogrammierung oder darin, dass Nutzer derartigen Schrott oft eintippen und die Maschine einfach auf die Daten zurückgreift, die ihr zur Verfügung stehen?
Zu klären ist das kaum – zu geheim werden meist die Algorithmen und Datenbanken gehalten. Bedenklich, dass dennoch immer mehr Softwareanwendungen auch in die sensibelsten Gesellschaftsbereiche Einzug halten. Die Berliner Polizei etwa verkündete diese Woche, Wohnungseinbrüche mit Predictive-Policing-Software bekämpfen zu wollen, also Programmen, die datengestützt vorhersagen wollen, wo Straftaten begangen werden. Eine Maßnahme, die hoch umstritten ist – aber halt mal gemacht wird. Sie wissen schon: Verunsicherung und so.
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