Wahrheitsgemäße Kritik erlaubt

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT Negative Vorfälle dürfen in Internet-Bewertungsportalen mitgeteilt werden

FREIBURG taz | Wahre Tatsachenbehauptungen in Internet-Bewertungsportalen können in der Regel nicht verboten werden. Die Meinungsfreiheit habe hier Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht.

Im konkreten Fall hatte ein Handwerker aus Hamburg seinen ehemaligen Vermieter und dessen gleichnamige Immobilienfirma in mehreren Firmen-Suchportalen negativ bewertet. Dabei schilderte er sachlich, welche Probleme er hatte, seine Mietkaution zurückzuerhalten. Die Einträge endeten jeweils mit dem Satz. „Mit Herrn … werde ich bestimmt keine Geschäfte mehr machen“, wobei er den Namen des Exvermieters nannte.

Der Vermieter wollte sich das jedoch nicht gefallen lassen. Auf seinen Antrag verurteilte das Landgericht Hamburg den Handwerker zur Unterlassung der Kritik. Das Anonymitätsinteresse des Betroffenen überwiege das eher geringe öffentliche Interesse an dem Vorgang. Das Oberlandesgericht Hamburg bestätigte das Verbot.

Damit wurde jedoch die Meinungsfreiheit des Handwerkers verletzt, entschied jetzt eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts und hob die Hamburger Urteile auf. Niemand habe den Anspruch, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Wenn wahre Tatsachen veröffentlicht werden, müssen auch negative Reaktionen anderer hingenommen werden – solange dies die normalen „Entfaltungschancen“ des Betroffenen nicht außergewöhnlich beeinträchtigt. Das heißt: solange er keine soziale Ächtung zu befürchten hat.

Der Hinweis auf die schleppende Zahlungsmoral seines Exvermieter war deshalb zulässig, so die Verfassungsrichter, da dem Kritisierten dadurch kein „unverhältnismäßiger Verlust an sozialer Achtung“ drohte. Wäre auf den Portalen eine Straftat des Exvermieters mitgeteilt worden, hätte dies eher unterbunden werden können.

Bei der Kritik durfte auch der volle Name des Vermieters genannt werden. Schließlich könnten mögliche Kunden des Mannes ein Interesse an der Information haben.

Dass die Kritik erst drei Jahre nach dem Streit um die Mietkaution öffentlich gemacht wurde, spreche nicht gegen den Vorrang der Meinungsfreiheit. Schließlich sei ja der Zeitpunkt des Konflikts mitgeteilt worden. Die Verfassungsrichter nennen keine zeitliche Obergrenze, wie lange sich der Exvermieter sein Fehlverhalten noch im Internet vorhalten lassen muss.

Christian Rath