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Lobby lässt Kohle schönrechnen

ENERGIE Laut einer neuen Studie sind Steinkohle-Kraftwerke klimafreundlicher als Gaskraftwerke

FREIBURG taz | Ist Steinkohle klimafreundlicher als Erdgas? Mit einer entsprechenden Studie im Auftrag des Vereins der Kohlenimporteure (VDKi) stellt die Pöyry Management Consulting gerade eine Position auf den Kopf, die lange als klimapolitische Gewissheit galt. Der Verein präsentierte das Papier gestern auf seiner Jahrespressekonferenz.

Rein naturwissenschaftlich betrachtet ist an den höheren Kohlendioxid-Emissionen der Kohle gegenüber Erdgas nichts zu deuteln. Sie ergeben sich schlicht aus der chemischen Zusammensetzung der Brennstoffe. Doch die Gutachter bringen zwei Faktoren ins Spiel, die den Vorsprung des Erdgases ins Gegenteil kehren sollen. Zum einen betrachten sie auch die indirekten Emissionen, die durch Förderung und Transport des Energieträgers entstehen. Diese sogenannten Vorkettenemissionen seien beim Erdgas höher als bei der Kohle.

Zum Zweiten führen die Gutachter an, dass sich die Emissionswerte zugunsten der Kohle verschieben, wenn die Kraftwerke nur in Teillast laufen: Eine Gasturbine verliere in diesem Fall 19 Prozentpunkte an Effizienz, ein modernes Steinkohlekraftwerk hingegen nur rund 6 Prozentpunkte. Der VDKi schließt nun daraus, dass moderne Steinkohlekraftwerke „die deutlich klimafreundlichere Alternative zu offenen Gasturbinen“ seien, wenn es darum gehe, Schwankungen von Erzeugung und Nachfrage auszugleichen.

Während der VDKi-Vorsitzender Wolfgang Cieslik die Studie einen „fairen Vergleich“ nennt, hält die Gaswirtschaft sie für unseriös. „Bei den Vorkettenemissionen des Erdgases wurden bewusst die ungünstigsten Annahmen gewählt“, sagt Norbert Azuma-Dicke vom Verein Zukunft Erdgas e. V. Die Werte beträfen vermutlich die Nutzung von Erdgas aus Fracking in den USA, das als verflüssigtes Gas nach Deutschland verschifft werde – was in der Praxis aber nicht vorkomme, weil die Bundesrepublik das meiste Gas aus Europa beziehe. Die Vergleiche zum Teillastbetrieb seien zudem „energiewirtschaftlich unsinnig“, weil Gasturbinenkraftwerke üblicherweise nicht längere Zeit im Teillastbetrieb liefen, sondern nur kurzfristig, um Schwankungen im Netz auszugleichen.

2015 hatte eine Studie des Ifeu-Instituts in Heidelberg die Treibhausgas-Emissionen verschiedener fossiler Kraftwerke untersucht und war dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass Erdgas selbst mit den Vorkettenemissionen deutlich besser abschneidet als Steinkohle. Allerdings hatte auch diese Studie einen parteiischen Auftraggeber: die Firma Wingas, eine 100-prozentige Gazprom-Tochter.

Bernward Janzing

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