Eine Kirche als Anschlagsziel

Frankreich Bei einer Geiselnahme in Saint-Etienne-du-Rouvray sterben ein Priester und die beiden Angreifer. Der IS bekennt sich zu der Tat. Regierung fürchtet Glaubenskrieg

Ganz Frankreich ist schockiert von diesem Angriff auf ein Glaubenssymbol

Aus Paris Rudolf Balmer

Bei einer Geiselnahme in einer katholischen Kirche in der französischen Kleinstadt Saint-Etienne-du-Rouvray ist der 86-jährige Priester ermordet worden. Ein zweiter Mann, ein Kirchgänger, wurde lebensgefährlich verletzt. Drei andere Geiseln, unter ihnen zwei Nonnen, blieben unverletzt.

Ganz Frankreich ist schockiert von diesem Angriff auf ein Glaubenssymbol. Die beiden Geiselnehmer drangen kurz vor zehn Uhr während der Messe mit Messer bewaffnet in die Kirche ein, die nicht speziell bewacht war. Eine Nonne, die zu Beginn der Geiselnahme flüchten konnte, alarmierte die Polizei, die in kürzester Zeit aus Rouen anrückte. Als die beiden mutmaßlichen Täter wenig später aus dem Gotteshaus stürmten, wurden sie erschossen.

Kurz darauf trafen Staatspräsident François Hollande und Innenminister Bernard Cazeneuve in Saint-Etienne-du-Rouvray ein. Es ging den Staatschef auch darum, der erstmals in dieser Art in einer Kirche attackierten katholischen Gemeinschaft die Solidarität der ganzen Nation zum Ausdruck zu bringen. Der französische Premierminister Manuel Valls erklärte auf Twitter: „Ganz Frankreich und alle Katholiken sind verletzt, wir stehen zusammen.“

Aus den ersten Stellungnahmen war noch herauszuhören, wie sehr die Staatsführung und die Behörden darauf bedacht waren, keine voreiligen Schlussfolgerungen zu ziehen. Hollande sagte aber schon bald, dass es sich um einen „feigen Anschlag von zwei Terroristen, die sich auf Daech (IS) beriefen“, gehandelt habe. Die Terrormiliz IS hat sich über die üblichen Kanäle zu diesem Anschlag bekannt, wie sie dies kürzlich auch für Attentate in Deutschland getan hatte.

Hollande kündigte an, dass er am Mittwoch die Vertreter aller Konfessionen empfangen werde. Die große Angst der Staatsführung ist es, dass ein Mordanschlag wie dieser in Saint-Etienne-du-Rouvray in einen Glaubenskrieg führen könnte. Diese Furcht ist berechtigt, denn bereits sind einschlägige Appelle zu lesen. So mobilisiert Marion Maréchal-Le Pen auf Twitter ihre Sympathisanten mit dem Satz „Réveillez-vous“ (Wacht auf!), ohne zu sagen, was sie damit genau meint. Expräsident Nicolas Sarkozy sagte: „Wir müssen unbarmherzig sein.“ Er forderte, alle Vorschläge der Opposition, den Kampf gegen den Terrorismus und die Strafen für die Täter zu verschärfen, müssten nun unverzüglich umgesetzt werden.

Inzwischen ist bekannt, dass einer der beiden Täter im Mai 2015 vergeblich versucht hatte, nach Syrien zu gelangen, um sich dort dem Dschihad anzuschließen. Er war in der Türkei gestoppt und nach Frankreich zurückgeschickt worden. Er wurde am 22. März 2016 aus der Untersuchungshaft entlassen. Er stand aber unter Polizeikontrolle, musste eine elektronische Fußfessel tragen und durfte seine Wohnung in diesem Vorort von Rouen nur von 8.30 bis 12.30 Uhr verlassen. Das hat ihn nicht an der Ausführung der Bluttat gehindert und wird in Frankreich eine neue Polemik über die Antiterrorpolitik und die Justiz auslösen.

Der Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun, erklärte zum Attentat: „Die einzige Waffe, die wir haben, ist das Gebet und die Brüderlichkeit.“ Er betonte, wie wichtig der Geist des Miteinander für das Zusammenleben der religiösen Konfessionen sei.