: Hört auf damit!
VERSCHWENDUNG Ab Januar ist es egal, ob man einen Fernseher hat – jeder zahlt den Einheitsbeitrag von 17,98 Euro. Wir haben genauso viele Vorschläge, was sich ARD und ZDF in Zukunft sparen können
VON DANIEL BOUHS UND JÜRN KRUSE
1ANSTALTEN: Wie wäre es zu Beginn mit einem ganz simplen Vorschlag: Einfach die Anzahl der Rundfunkanstalten reduzieren! MDR und RBB werden zum Ostdeutschen Rundfunk, NDR und Radio Bremen fusionieren, SR und SWR auch, WDR und BR dürfen bleiben. Und der Hessische Rundfunk? Der liegt so unverortbar in der Mitte, dass er sich aussuchen darf, welcher der neuen Anstalten er sich anschließen will.
2TALKS: Um überhaupt noch den Überblick über Gäste und Themen zu behalten, hatte die ARD vor einigen Jahren eine tolle Idee: Eine Datenbank sollte her, die Themenüberschneidungen und das Einladen von Gästen in gleich mehrere Sendungen verhindert. Die tollste Idee, sich entweder Jauch, Plasberg, Will, Maischberger oder Beckmann zu sparen, hatten die Entscheider bisher noch nicht. Schade.
3WELTNACHRICHTEN: Berichte aus aller Welt in der BR-„Rundschau“, „internationale und nationale Top-Themen“ bei „MDR aktuell“. Hört auf, der „Tagesschau“ Konkurrenz zu machen – und berichtet aus eurer Region!
4BOULEVARD: Dass das Erste und das Zweite parallel gern mal das Gleiche senden (obwohl sie das natürlich laut eigener Aussage verhindern, wo sie nur können), treibt spätnachmittags besondere Blüten, denn da läuft im ZDF ab 17.10 Uhr das Boulevard-Magazin „Hallo Deutschland“, es folgt das Boulevard-Magazin „Leute Heute“, während im Ersten parallel zu beiden Sendungen das Boulevard-Magazin „Brisant“ zu sehen ist. Wer die Bild gelesen hat, kann sich alle drei sparen. Oder RTL gucken.
5TIL SCHWEIGER:
6HOLLYWOOD: Rechtepakete für US-Blockbuster würden auch Private kaufen, also können ARD und ZDF darauf verzichten. Das gesparte Geld würde dadurch frei für mehr europäischen, vor allem deutschen Film, und ARD, ZDF und Arte könnten noch häufiger Koproduzenten werden und damit weit mehr Projekte ermöglichen als bisher.
7DIGITALKANÄLE: Die Zusammenlegung zweier Digitalkanäle zum neuen Jugendkanal geht zwar schon in die richtige Richtung, doch brauchen wir Tagesschau24 und ZDFinfo in Konkurrenz zu n-tv und N24? Reichen starke Nachrichtenangebote im Netz nicht aus?
8SHOWS: Wir müssen noch nicht mal über die Wiederbelebungsversuche der ARD für Thomas Gottschalk reden, es reicht auch hier ein Blick in die Dritten: Erst vor einer Woche warteten BR und SWR zeitgleich mit ein und derselben Formatidee auf: Der eine zeigte „Die Weihnachts-Wunder-Show“, der andere „Herzenssache – Der große Abend“. Ein Genre, ein Sendeplatz, aber zwei Shows.
9POPWELLEN: Fahren Sie mal durch Schleswig-Holstein und versuchen, ohne den Senderjingle zu hören den Unterschied zwischen NDR 2 und Radio Schleswig-Holstein zu erkennen. Klappt nicht? Tja. Und Schleswig-Holstein ist überall.
10SPORTRECHTE: Das ZDF räumt Budgets und Sendeflächen für die Königsklasse des Fußballs frei. Dabei waren auch Privatsender sehr daran interessiert, die Champions League auf frei empfangbaren Kanälen zu zeigen. Gut 50 Millionen Euro gibt der Mainzer Sender allein für die Lizenz aus, während er sich zeitgleich beklagt – nach vielen Jahren im personellen Überfluss –, nun für einen Schwund bei seinen Mitarbeitern sorgen zu müssen. Da hat Privatsender-Lobbyist Jürgen Doetz ausnahmsweise völlig recht, wenn er die „Shoppingtour“ der gebührenfinanzierten Sender kritisiert.
11SPORTÜBERTRAGUNGEN: Mit knapp 600 Mitarbeitern waren ARD und ZDF bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Bei Olympia in London waren es 480. Dabei sind beide Anstalten Mitglieder in der Europäischen Rundfunkunion EBU, in der 74 Rundfunkanstalten aus 56 Staaten versammelt sind, die auch von beiden Ereignissen berichtete. Wenn es schon intern keine Möglichkeiten der Einsparung mehr gibt, dann doch durch internationale Kooperationen.
12WAHLBERICHTERSTATTUNG: Während sich bei Fußballturnieren, Olympia und neuerdings auch bei royalen Hochzeiten und Begräbnissen ARD und ZDF bei den Übertragungen abwechseln, wird bei Wahlen noch immer schön parallel gesendet. Dabei ist der Mehrwert gleich null: dieselben Köpfe, identische Ergebnisse, gleiche Statements und Partybilder – und das sogar bei Landtagswahlen: Wofür haben wir denn die regionalen ARD-Sender?
13HAUSMUSIKER: 15 Orchester sind in direkter Trägerschaft der Öffentlich-Rechtlichen. Die Aufnahmen und Auftritte in Radio und Fernsehen ließen sich bestimmt auch mit weniger Big Bands, Sinfonikern und Philharmonikern realisieren.
14INFRASTRUKTUR: Ob Korrespondenten in denselben Städten wie New York, London, Paris oder Moskau, ob Haupstadtstudios in Berlin, ob Fernsehstudios in der gesamten Bundesrepublik, ob Text- und Bildarchive, ob Honorarabteilungen und Lizenzverwalter – ARD und ZDF haben Paralleluniversen aufgebaut. Dabei ließen sich an Dutzenden Standorten Mieten und Technik bei gemeinsamer Infrastruktur sparen. Weniger Nebenkosten, mehr fürs Programm!
15EINHEITSBREI: Statt der vielen austauschbaren Talkshows, von „3nach9“ (NDR) über „2+Leif“ (SWR) bis „Thadeusz“ (RBB), die alle mit Gästen aus der ganzen Republik aufwarten, und den diversen Verbrauchermagazinen (u. a. „Markt“ im NDR, ein anderes „Markt“ im WDR, „Marktcheck“ im SWR), die sich unisono mit Themen wie schimmeligen Champignons und dem Versandhändler Amazon beschäftigen, sollten die Dritten lieber Gäste und Fälle aus dem Sendegebiet bearbeiten. Die Dritten Programme spielen Vollprogramme: 24 Stunden pro Tag, sieben Mal die Woche machen sie über weite Strecken ihrem eigenen Hauptprogramm Konkurrenz.
16REPORTERSCHNICKSCHNACK: Bei der ARD sind es auf tagesschau.de geparkte Videoblogs mit abgedroschenen Titeln wie „London Calling“ oder „Paris, c’est la vie“, beim Zweiten die im Infokanal versendete Reihe „Life & Style“, und stets steht hinter diesen Miniformaten dieselbe Verschwendung der Ressourcen: Korrespondenten spielen Anekdotenmaschinen. Was hier läuft, war oft zu dünn für das eigentliche Produkt. Statt die Reporter und Produktionsetats für Derartiges in Anspruch zu nehmen, sollten die Sender ihren Reportern wieder Luft für echte Recherchen gönnen.
17QUIZSHOWS: Spart sie euch alle.
18GREMIENGEDÖNS: Treffen, essen, trinken, danke, tschüs. Statt opulenter Rundfunkräte für jede Anstalt brauchen wir eine engagierte Aufsicht für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und hier sitzen dann bitte auch endlich Vertreter der Gebühren … pardon … Beitragszahler.
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