piwik no script img

Das Ding, das kommtSprechende Steine

Meteoriten erzählen nicht nur vom Sonnensystem, sondern sind auch Anlass für ganz menschliche Geschichten. Davon erzählt eine Fotoausstellung in Braunschweig Foto: Regine Petersen

Gut 4,5 Milliarden Jahre ist so ein unscheinbarer, oft nur pflastersteingroßer Brocken alt, wenn er aus dem All bei uns ankommt. Jedes Jahr sollen etwa 20.000 von ihnen niederfallen, meist plumpsen sie unbemerkt ins Meer oder in öde Weltgegenden.

Die Zahl der beobachteten und penibel untersuchten Meteoritenfälle liegt jedoch nur bei etwa fünf pro Jahr. Die Wahrscheinlichkeit also, einen Einschlag zu erleben, gar von einem Meteoriten getroffen, verletzt oder erschlagen zu werden – rein statistisch geht sie gegen null. Gerade deshalb sind Meteoriten voller Geheimnisse – und immer gut für Schlagzeilen. Der Spiegel etwa berichtete 2013 über „massive Schäden“, die ein Einschlag in der Region Tscheljabinsk, weit östlich von Moskau, angerichtet haben soll. Und blies gleich zum „Kampf gegen die kosmischen Irrläufer“.

Der letzte beobachtete Einschlag in Deutschland datiert aus dem März dieses Jahres. In Stubenberg, Niederbayern, wurde ein 1.320 Gramm schweres Teilstück eines beim Eintritt in die Erdatmosphäre zersprengten Meteoroiden geborgen. Größer war da schon der Einschlag im Juli 1958 im nordrhein-westfälischen Ramsdorf: Der Brocken wog gut viereinhalb Kilo.

Den Meteoriten hat sich die Hamburger Fotografin Regine Petersen verschrieben. Für ein Sachbuch hat sie etwa 1.000 Einschläge recherchiert sowie in fünfjähriger Arbeit drei von ihnen – in den USA, besagtem Ramsdorf und in Indien – in einem dreibändigen Fotowerk verewigt. Dafür hat sie gerade den Deutschen Fotobuchpreis in der Kategorie „konzeptionell-künstlerisch“ erhalten.

Ein Auszug ihrer Bildgeschichten ist jetzt in Braunschweig zu sehen, kombiniert aus eigenem und archivarischem Material. Sehen kann man da, wie Meteoriten als „Zeitkapseln“ nicht nur von der Entstehung des Sonnensystems erzählen. Sondern auch ganz menschliche Geschichten.

Etwa die von Ann E. Hodges – eine der wenigen, die tatsächlich 1954 von einem Meteoriten getroffen wurde. Sie lag wohl gerade vorm Fernseher, als der Klumpen das Dach des Hauses durchschlug und sie an der Hüfte verletzte. Glück brachte ihr der „Götterbote“ keines – dafür die Klage, das Haus instand zu setzen. Auch den Mediziner-Kindern in Ramsdorf, die den Meteoriten dort gefunden haben wollen, erging es ähnlich: Der Einschlag führte zum Streit, wer denn nun beteiligt war – die Familie zersplitterte wie ein Meteorit. BMB

Regine Petersen, „Find a Fallen Star“: bis 21. August, Museum für Photographie Braunschweig

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen