: Von Werten und Rechten
Widerstand Ein Vortrag des Soziologen Hans Joas zum Jahrestag des Attentats vom 20. Juli
Am 20. Juli 1944 beugte sich Hitler während einer Lagebesprechung in Ostpreußen über einen Eichentisch, als direkt darunter ein Sprengsatz explodierte, der alle teilnehmenden Generäle schwer verletzte. Vier von ihnen starben. Hitler überlebte, die dicke Tischoberfläche hatte ihn geschützt.
Dieses Attentat gegen das Naziregime wird detailliert geschildert in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Neben bereits bekannten Widerstandsgruppen finden dort zahlreiche kleinere Initiativen Erwähnung, die sich zum Teil auf sehr kreative Art und Weise gegen das Naziregime auflehnten. Hauptverantwortlich für das Attentat am 20. Juli war eine Gruppe oppositioneller Wehrmachtsoffiziere um Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Die Gruppe hoffte, das Hitler-Regime zu stürzen und damit den Zweiten Weltkrieg zu beenden. Ein zentrales Anliegen war dabei die Wiederherstellung einer Gemeinschaft, in der die Menschenwürde geachtet wird.
Dieses Ziel, formuliert in einem „Aufruf an das deutsche Volk“, griff der Soziologe Hans Joas am Dienstag in einem Vortrag in der Berliner St.-Matthäus-Kirche auf. Er setzte sich zunächst mit der Definition der Begriffe „Menschenwürde“ und „Aufklärung“ auseinander: „Die Unantastbarkeit der Menschenwürde kann nicht ein Erbe des Christentums sein, dazu wurde sie in der Geschichte des Christentums viel zu oft missachtet“, bekräftigte Joas seine Feststellung, die Entstehung einer Idee der Menschheit habe sich zeitgleich überall auf der Welt entwickelt und ließe sich nicht auf eine bestimmte ethnische Gruppierung reduzieren. Joas berief sich auf den aus der Soziologie stammenden Begriff der „Wertegeneralisierung“, der gerade im Hinblick auf die Herausforderungen pluriethnischer Gesellschaften aktuell ist und er wies auf die Notwendigkeit der Erzeugung eines Grundkonsenses hin, wie er auch der universalen Erklärung der Menschenrechte zugrunde liegen würde.
Festzuhalten bleibt eine Bemerkung Joas’bezüglich kollektiver historischer Erinnerung: „Aus der Art und Weise, wie erzählt wird, kann ein massiver Appellcharakter hervorgehen.“ Der Appellcharakter einer Erzählung über Formen des Widerstands gegenüber einem faschistischen Regime als elementarer Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur kann zu keiner Zeit hoch genug geschätzt werden. Annika Glunz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen