: Politisch fragwürdige Deutungen
Orbán und Putin: Zufrieden der eine, der andere nicht
Von Barbara Oertel
Wer bei dieser EM vor allem ein Auge für einige osteuropäische Mannschaften hatte, erblickte sowohl Altbekanntes als auch Überraschendes. In letztere Kategorie fällt das Abschneiden der ungarischen Nationalmannschaft, von der selbst die größten Optimisten nicht erwartet hätten, dass sie überhaupt ein Tor erzielen würde. Am Ende waren es derer sogar vier, man schied erst im Achtelfinale aus.
Diesen Achtungserfolg – und das war dann wieder weniger überraschend – versuchte Ungarns Regierungschef, der rechtslastige Viktor Orbán, eilig für sich und seine Politik zu nutzen. Nach dem Motto: Wir sind auf dem richtigen Weg. Dass der Mann, der sich für mehr Sportförderung einsetzt, autoritär durchregiert und EU-Belange, trotz EU-Mitgliedschaft, ignoriert – Schwamm drüber. Folglich konnten sich die Linken, die noch nicht ausgewandert sind, nicht wirklich über ihre Mannschaft freuen. Was allerdings nichts daran ändert, dass sie wirklich nicht so übel gespielt hat.
Das kann man von der russischen wahrlich nun nicht behaupten. Die vormoderne Spielweise dieses Geronto-Clubs – unterirdisch. Doch darum geht es nicht allein, weil es in Russland nämlich immer um das große Ganze geht. Das Aus nach der Vorrunde – flankiert von einigen Amokläufen russischer Hooligans – war eine nationale Schmach und Demütigung, wieder einmal. Und die brauchen die Russen jetzt überhaupt nicht, weil die Okkupation der Halbinsel Krim als Balsam für die gebeutelte russische Volksseele allmählich ausgedient hat. Wahrscheinlich, so wird sich nicht nur Präsident Wladimir Putin gedacht haben, mangelte es dem Team an einer gesunden patriotischen Einstellung und dem Willen, im Feld mal wieder alles zu geben für das Vaterland.
Jetzt betreiben die Verantwortlichen Ursachenforschung und sinnen auf Abhilfe. Das Dumme ist nur, dass Russland in zwei Jahren die Fußballweltmeisterschaft ausrichtet. Aber bis dahin werden sich schon noch ein paar gute Patrioten finden lassen.
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