„Es be­stä­tigt genau mein Handeln“

Bilderbuchkarriere Wie Astrid O. sich von der Antifa zur „Antirepressionsarbeit“ vorarbeitete – und wie routiniert ihre Ex-Genossen den Fall betrachten

Eike

38, Name geändert, nach eigenem Bekunden linksradikal und aktiv in einer Gruppe, die Unterstützung und Beratung für von Repression Betroffene leistet

An­fangs war As­trid ja bei dem Ju­gend-An­ti­fa-­Café in Ber­ge­dorf. Ich hab sie etwas spä­ter ken­nen­ge­lernt, als sie schon eine ei­ge­ne Grup­pe, Nella Fac­cia, ge­grün­det hatte. Als Mit­glied von Nella Fac­cia saß sie bei den Vor­be­rei­tungs­tref­fen zu den Pro­tes­ten gegen die In­nen­mi­nis­ter­kon­fe­renz, da hab ich sie zum ers­ten Mal wahr­ge­nom­men.

Meine da­ma­li­ge Grup­pe hatte sich über­legt, neue Leute an­zu­spre­chen. Da kam As­trid ins Ge­spräch. Wir wuss­ten, dass sie bei Nella Fac­cia nicht mehr so glück­lich war – sie hatte öf­ters ge­sagt, dass sie keine reine An­ti­fa-Ar­beit ma­chen woll­te. Sie hat dann eine Ver­an­stal­tungs­rei­he or­ga­ni­siert, die the­ma­tisch mehr in Rich­tung An­ti­re­pres­si­ons­ar­beit ging. Da gab’s ’ne in­halt­li­che Nähe zu mei­ner Grup­pe. Wir haben sie dann also ge­fragt und sie woll­te sich das über­le­gen – hat sie ja dann auch. Da gab’s dann wohl ein Go von der Füh­rungs­ebe­ne.

Ich hab mich aber nicht mit ihr an­ge­freun­det – ich fand sie nicht so sym­path­isch. Auch sie hat mir ge­gen­über kein per­sön­li­ches In­ter­es­se ge­zeigt. Da waren an­de­re Ziel­per­so­nen wohl in­ter­es­san­ter. Viel­leicht wuss­ten die Bul­len schon genug über mich? Ich geh’davon aus, dass sie ihr Puz­zle ir­gend­wann mal zu­sam­men haben. Ich hatte auch schon mit Iris P. zu tun. Ich war bei der Grup­pe dabei, die Iris wäh­rend ihres Ein­sat­zes „falsch“ ver­däch­tigt hatte.

Polittreffen zu Hause

Ich war auch bei Astrid zu Hause und sie oft bei mir. Un­se­re Po­lit­tref­fen fan­den häu­fig in Pri­vat­räu­men statt. Wir haben uns ein­mal die Woche ge­se­hen. Klar spricht man dann auch über Pri­va­tes. Es ist nicht immer klar ge­trennt, wenn man zu­sam­men Po­litar­beit macht. Ich fände es auch nicht wün­schens­wert, in ’ner Grup­pe zu sein, wo es kei­nen pri­va­ten Aus­tausch gibt.

Die Er­mitt­le­rin­nen be­tei­li­gen sich ganz klar am so­zia­len Leben, auch an dem Teil, wo man mal Al­ko­hol trinkt. Alle drei, die ich kann­te, haben auf jeden Fall mal einen Zu­stand er­reicht, wo sie keine deut­li­che Aus­spra­che mehr drauf hat­ten.

Astrid hat auf jeden Fall kör­per­li­che Nähe ge­sucht und da Gren­zen über­schrit­ten. Ob sie mit je­man­dem im Bett war, weiß ich nicht. Aber sie hat nach außen den Ein­druck er­weckt, dass sie mit Leu­ten intim wäre, mit denen sie es letzt­lich gar nicht war. Von einer Per­son weiß ich, dass sie nur ge­knutscht haben, es wirk­te aber, als sei es eine Lie­bes­be­zie­hung. Sie woll­te of­fen­sicht­lich er­rei­chen, dass Leute an­neh­men, dass da ’ne Be­zie­hung be­steht, um mehr Ver­trau­en zu er­schlei­chen.

Bloß keine Paranoia

Das mit den bei­den Ver­dachts­mo­men­ten gegen As­trid hat sich nicht so rum­ge­spro­chen. Das finde ich auch nicht per se ver­kehrt. Es ist schon gut, wenn es keine Flüs­ter­post über so was gibt, denn man kann damit das so­zia­le Leben einer Per­son zer­stö­ren. Ich hab das da­mals von der zwei­ten Ver­däch­ti­gung mit­be­kom­men. Aber es gab ja eine Grup­pe, die sich darum küm­mern woll­te. Ich hab mich zu­rück­ge­hal­ten, denn ich war zu der Zeit der An­sicht, dass ich Iris P. fälsch­lich ver­däch­tigt hatte. Es kann auch keine Lö­sung sein, in Pa­ra­noia zu ver­fal­len. Of­fe­ne Struk­tu­ren haben offen zu sein.

Von ihrer Per­son her würde ich sagen, sie war ober­fläch­lich ge­sel­lig. Sie war jetzt keine Ulk­nu­del, aber sie hatte schon Humor.

As­trid war in der Grup­pe am An­fang wie alle neuen Leute, sich ori­en­tie­ren … mit der Zeit hat sie ihren Platz dann ge­fun­den. Sie ist ein­fach ganz gut mit­ge­lau­fen. Sie war kein Agent Pro­vo­ca­teur, sie hat nicht ver­sucht, Leute zur Mi­li­tanz an­zu­hal­ten. Aber sie hat Mi­li­tanz als po­li­ti­sche Mit­tel klar be­für­wor­tet.

Dackel, der keine Bullen mag

Sie hat auch mal for­mu­liert, dass ihr Da­ckel Spike Bul­len nicht mag. Dass er an­fängt zu bel­len, wenn wer „Bul­len“ oder „Po­li­zei“ sagt. Der Da­ckel war immer dabei. Ist jetzt nicht so der ty­pischs­te Po­li­zei­hund …

Als sie sich zu­rück­ge­zo­gen hat, hatte das einen Vor­lauf von ’nem hal­ben Jahr, wo sie Un­zu­frie­den­heit ge­äu­ßert hat und über­leg­te, Deutsch­land zu ver­las­sen. Sie hat sich eher raus­ge­schli­chen, nicht von jetzt auf gleich. Ir­gend­wann hatte sie dann was ge­fun­den, wo sie ko­chen ler­nen kann – sie woll­te ja an­geb­lich eine Koch­aus­bil­dung ma­chen. Da war ich nicht wei­ter über­rascht. Zu der Zeit haben sich auch bei an­de­ren Men­schen in mei­nem Um­feld Sa­chen ver­än­dert, da war sie nur eine von meh­re­ren. Und dass Leute ir­gend­wann er­mü­det sind und sich fra­gen, warum man das alles macht, kommt ja auch real vor.

As­trid war nun die drit­te ver­deck­te Er­mitt­le­rin in mei­nem Leben, von der ich weiß. Sie wird si­cher nicht die letz­te sein. Wie ich mich damit fühle? Für mich steht da die po­li­ti­sche Kri­tik im Vor­der­grund. Nicht um­sonst be­trei­be ich links­ra­di­ka­le Po­li­tik: Weil ich Kri­tik am Staat habe. In­so­fern ist es nicht ver­wun­der­lich, dass das, was ich kri­ti­sie­re, genau so wirk­sam wird. Eine­ Aus­ein­an­der­set­zung damit im Vor­hin­ein sorgt dafür, dass es einen dann nicht mehr so emo­tio­nal trifft, wenn es wirk­lich pas­siert.

Aber klar fragt man sich, was sie mit­be­kom­men hat. Was hab ich da un­ge­fähr ge­macht, wor­über hab ich ge­spro­chen, was wurde mit­ge­schnit­ten? An­de­rer­seits bin ich per­ma­nent in dem Be­wusst­sein un­ter­wegs, dass da ins Pri­vat­le­ben in­ter­ve­niert wird. Das fühlt sich nicht gut an, ist aber an­de­rer­seits auch mit ein Grund, warum ich über­haupt Kri­tik habe. Es be­stä­tigt also genau mein Han­deln.

Ich geh’auch fest davon aus, dass ich ak­tu­el­le ver­deck­te Er­mitt­ler kenne und davon nicht weiß. Man muss ein­fach davon aus­ge­hen, dass immer drei bis vier ver­deck­te Er­mitt­le­rIn­nen in der Ham­bur­ger lin­ken Szene un­ter­wegs sind.

Protokoll: Katharina Schipkowski