Schwimmend durch die Stadtmitte

Spreebad Der Verein Flussbad Berlin e. V. plant, einen Abschnitt der Spree nahe der Museumsinsel in ein Badegewässer umzuwandeln. Auch Natur und Kultur sollen von dieser Umgestaltung profitieren

Sieht sportiv aus, die Strömung in der Spree ist allerdings nicht zu unterschätzen Foto: Paul Zinken/dpa

von Annika Glunz

1,8 Kilometer wird sie lang sein, die Strecke, entlang derer sich einmal das Berliner Spree-Flussschwimmbad erstrecken soll. Der Verein Flussbad Berlin e. V. hat sich zum Ziel gesetzt, einen Teil der Spree von der Fischerinsel bis zum Bode-Museum in ein Schwimmbad umzuwandeln – und damit auch ein Stück mehr Leben in die Mitte zu bringen. Die erste Reaktion, die einem beim Thema „Baden in der Spree“ einfällt, ist wohl der Einwand, das Gewässer sei doch viel zu dreckig, um dort zu schwimmen, man wolle schließlich nicht krank werden.

Zu diesem Zwecke hat das Flussbad-Projektteam ein ausgeklügeltes Konzept entwickelt: Die Spree soll in drei verschiedene Abschnitte eingeteilt werden. Auf einen renaturierten Bereich entlang der Fischerinsel folgt ein Abschnitt, in dem ein Pflanzenfilter installiert werden soll, der der Reinigung des Wassers dient, welches dann schließlich im dritten, 840 Meter langen Abschnitt zwischen Humboldt-Forum und Bode-Museum den ­SchwimmerInnen ein Badeerlebnis in sauberem Spreewasser ermöglicht.

Sauber durch Filter

„Eine Stadt, in der der Fluss, während er fließt, durch einen Filter gesäubert wird, hat es bisher nicht gegeben“, freut sich der „Erfinder“ des Flussbads, Tim Edler. Auf Höhe des ehemaligen Staatsratsgebäudes befindet sich ein etwa anderthalb Meter hohes Wehr, mit Hilfe dessen das Wasser allein durch die Schwerkraft durch das Filtersystem geleitet werden kann. Es gibt jedoch noch einen weiteren Aspekt, der der Nutzung der Spree als Schwimmbad maßgeblich im Wege steht: Sobald es stark regnet, läuft die Kanalisation über, und der Fluss verwandelt sich in eine Kloa­ke. Ungefähr dreißigmal pro Jahr ist das der Fall. Um für solche Fälle Abhilfe zu schaffen, plant der Fachbereich Strategieabwasser­entsorgung der Berliner Wasserbetriebe, diese Überläufe durch insgesamt 300.000 Kubikmeter Wasserspeicher aufzufangen und anschließend zu klären. Durch ein bereits existierendes Vorwarnsystem konnten schon jetzt Überläufe stark reduziert werden.

In Berlin gab es seit Anfang des 19. Jahrhunderts Flussbadeanstalten

Edler freut sich allerdings nicht nur über die Wasserfilterung und die ökologischen Aspekte des Projekts, sondern auch über die zahlreichen soziokulturellen Nebeneffekte, die eine „beschwimmbare“ Spree mit sich bringen würde: „Die letzten 25 Jahre war die Stadtmitte ein Ort, an dem ausschließlich konservative Entwicklungsziele verfolgt wurden, alle großen Pläne gingen in Richtung Hochkultur und Repräsentation. Für das Stadtleben spielt dieses historische Zentrum doch überhaupt keine Rolle. Das Flussbad würde die Möglichkeit bieten, Kultur, Körper und Geist zusammen wirken zu lassen. Außerdem können sich hier diverse Bevölkerungsgruppen begegnen. Wir wollen das Leben in die Mitte zurückbringen.“ Die Idee eines Schwimmbads in der Spree ist übrigens nicht neu: In Berlin gab es seit Anfang des 19. Jahrhunderts zahlreiche Flussbadeanstalten, 1925 wurde aus hy­gie­ni­schen Gründen die letzte Badeanstalt an einem Spreekanal geschlossen. Die Vision des Vereins ist es, 2025, also 100 Jahre nach Schließung, ein neues Flussbad eröffnen zu können – allerdings müssen bis dahin noch zahlreiche bürokratische Hürden überwunden werden.

Einen Vorgeschmack, wie es sich anfühlen wird, in der Spree mitten durch die Innenstadt zu schwimmen, konnten sich die TeilnehmerInnen des Flussbad-Pokals am vergangenen Sonntag verschaffen. Insgesamt 268 professionelle SchwimmerInnen und „Laien“ schlugen sich auf einer einen Kilometer langen Strecke entlang der Museumsinsel durch das Kanalwasser.

Die Autorin, die sich bei dieser Gelegenheit einem Selbstversuch unterzog und sich in der Gruppe der Laien durch das Flusswasser kämpfte, staunte nicht schlecht, sowohl über die deutlich spürbare Strömung und den vorhandenen Wellengang im Kanal, als auch über die Fitness ihrer MitschwimmerInnen – sie erreichte als Letzte das Ziel. Der Perspektivwechsel hat sich dennoch gelohnt, und die Stimmung unter den Teilnehmenden war freudig, offen und sehr hilfsbereit. Die Stadt scheint also bereit zu sein für ihr neues Flussbad – wenn alles nach Plan verläuft, dann könnte es schon in weniger als zehn Jahren so weit sein.