Berliner Szenen: Nach dem Brexit
Keinen König mehr
Mein schottischer Freund und ich gehen mit unserer Tochter in der Nähe des Winterfeldplatzes Falafel essen. Ich setze mich draußen an einen Tisch in der Sonne, mein Freund geht mit unserer Tochter rein, um zu bestellen. Einer der Mitarbeiter setzt sich an den Nachbartisch, betrachtet unsere Tochter und sagt: „Schöne rote Haare. Sind aber nicht gefärbt, oder?“ Ich schüttle den Kopf und sage: „Schottische Gene.“ Er pfeift, lächelt sie an und fragt dann: „Moment mal, Schottland, das ist doch auch England, oder? Krasse Sache, dass die nicht mehr zu Europa gehören wollen.“ Ich sage leise, dass mein Freund das besser nicht hören sollte, und erkläre ihm kurz das Vereinigte Königreich.
Mein Freund kommt mit dem Essen. Der Mann spricht ihn an: „Schotte, ja? Schottland, das ist doch das Land mit der Serie.“ Mein Freund stellt das Essen ab und bastelt unserer Tochter einen Latz.
Der Mitarbeiter versucht ihn in ein Gespräch zu verwickeln: „Jetzt nicht mehr EU, was?“ Mein Freund möchte essen und winkt nur ab. „Erst mal abwarten.“ Der Mitarbeiter fragt: „Und ihr habt aber ein eigenes Land? Wie in der Serie ‚Outlander‘, oder wie die heißt?“ Mein Freund zuckt mit den Achseln: „Kenne ich nicht.“ Der Mann zückt sein Handy und googelt: „Doch ‚Outlander‘, meine Frau guckt das immer. Sie sagt, Schottland ist schön.“
Er starrt eine Weile auf sein Handy und fragt dann: „Habt ihr einen eigenen König?“ Mein Freund schüttelt den Kopf und sagt: „Nicht mehr.“ Der Mitarbeiter nickt: „Stimmt, darüber gibt’s auch so’ne Serie: ‚Reign‘. Das guckt meine Tochter.“
Er googelt wieder. Dann sagt er zu meinem Freund: „Euer Geld ist ja voll im Keller. Da guck ich gleich mal nach Flügen. Meine Frau und meine Tochter wollten das schon immer. So günstig wird’s nie wieder.“
Eva-Lena Lörzer
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