„Gravierende psychische Folgen“

KIRCHE Die Katholiken lassen ihren Missbrauchsskandal erforschen. Jetzt liegt ein Zwischenbericht vor

BERLIN taz | Es ist nichts Endgültiges und bleibt halbherzig – aber immerhin: Die katholische Kirche in Deutschland hat am Montag einen Zwischenbericht zu ihren Forschungen zum jahrzehntelangen Missbrauchsskandal in ihren Reihen vorgelegt. Heraus kam, was seit Beginn der Aufklärung von sechs Jahren zu erwarten war: Es ist alles furchtbar schlimm und verlogen.

Ein vielköpfiges Forschungskonsortium um die Psychiater Harald Dreßling (Mannheim) und den Kriminologen Dieter Dölling (Heidelberg) durchpflügt seit zwei Jahren die Akten der 27 katholischen Bistümer nach Hinweisen über Missbrauchsfälle. Das Forschungsteam interviewt Betroffene des Missbrauchs – und die Täter. Außerdem sichtet man die internationale Forschungsliteratur zum Thema „Missbrauch und katholische Kirche“. Der nun vorliegende Zwischenbericht beruht erst einmal nur auf Letzterem. Die eigenen Ergebnisse der Fachleute soll frühestens Ende kommenden Jahres öffentlich werden.

Allerdings zeigen die nun veröffentlichen Fakten bereits die Dimension des Skandals mit neuer Eindringlichkeit. So ist beispielsweise ein Ergebnis des Zwischenberichts, dass in etwa drei Vierteln der Missbrauchstaten sogenannte „Hands-on-Handlungen“ von Kirchenleuten (fast ausschließlich Männer) vorgenommen wurden. Das heißt, es ging ums Anfassen der Opfer oberhalb oder unterhalb der Kleidung – das macht knapp die Hälfte dieser Taten aus. Vergewaltigungen waren es bei rund einem Drittel der Fälle: Geschlechtsverkehr zu 17 Prozent, Oralverkehr zu 12 Prozent. Wie viele Missbrauchsfälle es insgesamt gab, ist noch nicht ermittelt. Bekannt ist bisher lediglich die Zahl der Anträge, die Betroffene gegenüber den deutschen Bistümern gestellt haben, nämlich etwa 1.700.

Bei den Opfern gibt es dem Bericht zufolge zu zwei Dritteln gravierende psychische Folgen. 17 Prozent der Betroffenen wollten ihrem Leben ein Ende setzen oder haben es gemacht. Bei knapp einem Drittel der Täter konstatieren die Forscher eine emotionale oder sexuelle Unreife, etwa ein Fünftel leidet unter einer Persönlichkeitsstörung. Philipp Gessler