Der Minister klebt an seinem Stuhl

Affairen Heimlich aufgenommenes Gespräch bringt Innenminister Jorge Fernández Díaz kurz vor der Wahl in die Bredouille

MADRID taz | Ein Skandal überschattet den Endspurt des spanischen Wahlkampfs – und Jorge Fernández Díaz, der konservative Innenminister und engste Vertraute von Regierungschef Mariano Rajoy, steckt mittendrin.

Am Mittwoch hat die Online-Zeitung Politico den Mitschnitt eines Gesprächs veröffentlicht, das der Innenminister mit dem Chef der Antibetrugsbehörde von Katalonien hatte. Darin weist der Minister Amtschef Daniel de Alfonso an, Politiker, die für die Unabhängigkeit der Region rund um Barcelona streiten, zu durchleuchten – um dann belastendes Material an befreundete Medien zu geben und so die Karriere der fraglichen Politiker zu zerstören. Auf besorgte Nachfragen des Amtsleiters bestätigt der Innenminister, Regierungschef Rajoy sei eingeweiht.

Nach dem die Gesprächsmittschnitte bekannt wurden, räumte der Innenminister nun ein, er habe sich tatsächlich zweimal mit dem Leiter der Betrugsbehörde getroffen. Nach Angaben der Ermittlungsbehörden wurden die Gespräche bereits vor etwa zwei Jahren mittels eines gehackten, ferngesteuerten Smartphones aufgenommen. Sie seien aber, erklärte Fernández Díaz, aus dem Zusammenhang gerissen: „Die eigentliche Konspiration ist die der Presse gegen mich“, sagte er. „Ich werde ihnen nicht den Gefallen tun, zurückzutreten.“

Der Verdacht, die Regierung Rajoy konspiriere gezielt gegen ihr unliebsame Politiker, wurde bereits in der Vergangenheit immer wieder laut. So beschwerte sich die Polizeigewerkschaft nach den Wahlen vom vergangenen 20. Dezember über Versuche des Innenministeriums, „Polizei und Ermittlungsbehörden politisch gegen Podemos zu instrumentalisieren“.

Fünfmal wurde gegen Pode­mos wegen angeblicher „illega­ler Parteienfinanzierung“ ermittelt, fünfmal stellten der oberste Gerichtshof das Verfahren ein. Beteiligte Polizeibeamte wurden dennoch befördert. Mit den Aufnahmen ist diese Ins­tru­mentalisierung jetzt zumindest im Falle der katalanischen Na­tio­nalisten belegbar.

Nationalisten und Opposi­tions­parteien fordern den sofortigen Rücktritt von Fernández Díaz. „Wir haben einen Innenminister, der uns beschützen soll, und ganz offensichtlich sein Amt benutzt, um rivalisierende Politiker auszuforschen“, erklärte der Spitzenkandidat der jungen Antiausteritätspartei Podemos, Pablo Iglesias, empört.

Rajoy stellt sich taub und nimmt seinen Minister in Schutz. Er wirft Opposition und Nationalisten vor, „das Wasser aufzuwühlen, um dann zu fischen.“ Reiner Wandler