Ein absolut peinlicher Eiertanz

Frankreich Die Regierung zieht Demoverbot gegen die Arbeitsmarktreform nach Protesten wieder zurück. Das letzte Verbot galt 1962 der Algeriendemo

AUS PARIS Rudolf Balmer

Die Gegner der Arbeitsmarktreform dürfen gnädigerweise am Donnerstag in Paris nun doch demonstrieren, aber die vom Innenministerium schließlich bewilligte Strecke bei der Bastille ist lächerlich kurz und kommt eher einem kleinen Rundgang gleich. Ursprünglich hatte die Polizei diese erneute Kundgebung aus Sicherheitsgründen kurzerhand verboten und nur eine Kundgebung als „Alternative“ angeboten. Das war für die Gewerkschaften und die Jugendorganisationen, die gegen die Arbeitsmarktreform sind, eine gefährliche und inakzeptable Einschränkung des Demonstrationsrechts und der Demokratie.

Das Demoverbot löste aber eine breite Welle der Empörung von links bis rechts aus. Die VertreterInnen des linken Flügels der regierenden Sozialisten sprachen von einem „historischen Fehler“, der konservative Expräsident Nicolas Sarkozy meinte, ein solcher Eingriff sei „nicht vernünftig“, und Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National ergriff die Gelegenheit, um sich auf Twitter als Garantin demokratischer Rechte aufzuspielen.

Dieser massive Druck hat die Regierung zum Einlenken gezwungen. Ausschlaggebend war wahrscheinlich auch die Überlegung, dass selbst ein großes Polizeiaufgebot nicht in der Lage wäre, effektiv zu verhindern, dass die Gegner der Regierungspolitik demonstrieren. Umgekehrt wollen offenbar auch die französischen Gewerkschaften keine frontale Auseinandersetzung mit der Regierung und ihrer Polizei. Zwar drohen bei einem Demonstrationsverbot bei Zuwiderhandlung nur geringfügige Geldstrafen, aber man hat in Frankreich auch den Präzedenzfall vom Februar 1962 nicht vergessen. Damals demonstrierten trotz Verbots die Anti­ko­lo­nial­isten für die Unabhängigkeit Algeriens; die Polizei schoss und tötete acht Demonstranten (inoffiziell sehr viel mehr). Wahrlich kein guter Präzedenzfall für eine sozialistische Regierung.