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Unterstützung für die letzte Etappe

Alte Der demografische Wandel ist in aller Munde. Ob im privaten oder öffentlichen Bereich – Konflikte zwischen den Generationen bleiben nicht aus. Elder Mediation hilft sie zu lösen

Oft streiten die Geschwister und der ältere Mensch steht eher am Rand Foto: Heidi Yount/plainpicture

von Anna Löhlein

Schon 2013 waren 34 Prozent der Deutschen 65 Jahre und älter, die Anzahl der Hochbetagten (ab 80 Jahre) lag bereits bei knapp fünfeinhalb Prozent. Tendenz steigend. Alter und Älterwerden stellen neue Herausforderung dar – aus denen sich Probleme entwickeln können.

„Konflikte aus dem Bereich Elder Mediation betreffen meist mehrere Generationen“, weiß Mediatorin Christa Schäfer. Sei es, dass betagte Menschen noch etwas klären möchten, das sie beschäftigt, oder Kinder die Chance nutzen wollen, mit Mutter oder Vater ein Gespräch zu führen, um Antworten auf jahrelang schwelende Fragen zu finden. Neben persönlichen Themen geht es auch um Entscheidungen, die mit Pflegebedürftigkeit oder Krankheit einhergehen, etwa den Umzug in eine Senioreneinrichtung, Art der Pflege oder Wohnungsauflösung. „Hier steht oft der Geschwisterstreit im Vordergrund und der ältere Mensch eher am Rand. Er möchte nur, dass der Streit um Geld, Zeit oder Verantwortung aufhört“, so Schäfer.

Nicht nur im familiären Bereich ergeben sich Konflikte. Signe Stein, Mitglied im Leitungsteam der Fachgruppe Elder Mediation des Bundesverbands für Mediation, beschreibt zwei weitere Bereiche der Altersmediation: die Arbeitswelt mit Themen wie Firmenübergabe, Erbschaft, Generationenkonflikte am Arbeitsplatz, Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sowie Themen aus der Nachbarschaft wie Nutzung des öffentlichen Raumes, Lärmbelästigung, Verständnis von Ordnung und Unordnung.

Um die Altersmediation in Deutschland zu etablieren, gründete sich 2013 die Fachgruppe Elder Mediation. Stein: „Wenn Konflikte mit den sensiblen, oft tabuisierten Themen Alter und Tod zusammenhängen, werden die meisten Menschen sprachlos. Aus diesem Grund war es notwendig, dass sich eine Fachgruppe Elder Mediation gebildet hat, um dieser besonderen Form von Sprachlosigkeit entgegenzutreten und einen Rahmen zu schaffen, um Elder Mediation mit ihren Möglichkeiten auch in Deutschland bekannt zu machen. In Österreich, der Schweiz, Kanada und den USA ist die Thematik bereits gut im gesellschaftlichen Leben verankert.“

Brauchen Ältere eine besondere Art der Vermittlung? Mediatorin Schäfer sieht die Besonderheit der Elder Mediation nicht in Methoden, sondern beim Mittler: „Ältere brauchen einen Mediator, der gut mit ihrer Altersgruppe umgehen kann. Er benötigt viel Geduld, wenn Prozesse langsam voranschreiten. Manche ältere Menschen berichten immer wieder oder sehr ausführlich. Manchmal sind lange Pausen zwischen den Arbeitsphasen nötig, um die Konzentration aufrechtzuerhalten.

Wegweiser

Weitere Informationen unter http://fg-elder-mediation.bmev.de, der Webpräsenz der Fachgruppe Elder Mediation im Bundesverband Mediation.

Das AltersMediationsZentrum in Meerbusch bietet Seminare zu Themen wie „Umgang mit veränderten Lebenssituationen“ an sowie Mediation und privates Coaching:altersmediationszentrum.de

Das Team des MediationsZentrums Berlin (www.mediationszentrum-berlin.de) berät und unterstützt bei Konflikten, Telefon: (01 57) 8 13 456 74.

Christa Schäfer, Gründerin und Ehrenvorsitzende des MediationsZentrums Berlin, informiert auf ihrer Webseite www.chschaefer.de über ihre Tätigkeit.

Der Mediator muss mit einem hohen Level an Gefühlen umgehen können: Wut, Aggression, Traurigkeit, Angst, Verzweiflung, Schuldgefühlen.“ Wenn Mediator und Medianden an einem Tisch sitzen, geht es vor allem ums Zuhören. Als allparteiliche Instanz achtet der Mediator darauf, dass in einer respektvollen Atmosphäre jeder zu Wort kommt. Neben einer Persönlichkeit, die gut mit den Themen Alter, Krankheit, Pflege, Tod und Abschied umgehen kann, brauchen Altersmediatoren Sensibilität für Kräfteausgleich und Rollenmuster, einen systemischen Blick auf Familiendynamik und Firmenstrukturen. Zudem sind Fachkenntnisse in Alterspsychologie und alterstypischen Krankheiten wie Demenz sowie medizinische Grundkenntnisse hilfreich. Dort, wo es um Fragen wie Erbrecht oder Firmennachfolge geht, auch juristisches Know-how. Bei der Einbeziehung von Menschen mit einer Demenzerkrankung sind geschulte Kräfte in Validation notwendig.

Im Altersmediationszentrum Meerbusch coacht Mediatorin Birgit Goldenbow Privatpersonen im Umgang mit betroffenen Angehörigen: „Für diese bieten wir Seminare an, in denen wir den wertschätzenden Umgang mit den betroffenen Personen schulen. Aber sie auch in ihren eigenen Ängsten, Sorgen und Überforderungen abholen.“ Bei Inhouse-Seminaren in Institutionen trifft sie auf Fragen wie: „Was können wir tun, wenn Angehörige über die Qualität der Pflege oder Betreuung schimpfen?“ Mediationen zwischen Angehörigen und Institutionen führen dann zur Klärung. So wünscht sich auch Signe Stein, „dass gerade in den Wohnformen, die sich auf ältere Menschen spezialisieren, für Bewohner und Mitarbeiter in Elder Mediation qualifizierte Mediatoren als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und bei der Klärung von Auseinandersetzungen einbezogen werden.“

Im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel weist Goldenbow auf einen weiteren Punkt hin, der Konfliktpotenzial birgt: „Da wir derzeit erstmalig zwei Generationen Rentner haben, gibt es auch Menschen mit 65 bis 70, deren 90-jährige Eltern Unterstützung erwarten. Eine Entwicklung, mit der wir uns zukünftig wohl noch mehr beschäftigen werden.“

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