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So eine Überraschung

Schade eigentlich: Im siebten Jahr ist die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises endgültig zur Routine erstarrt und die Show eine traurige Abfolge schlechter Dankesreden und schlechter Scherze

AUS KÖLN PEER SCHADER

Es ist ganz leicht, schlecht über den Deutschen Fernsehpreis zu schreiben. Man muss bloß den Fotografen über die Schultern schauen, die draußen am roten Teppich auf ihren Leiterchen stehen und Prominente anschreien.

Gegenüber warten viele gelangweilt aussehende junge Mädchen in ausgebeulten Jeans, die ihren Samstag mit Starwatching verbringen, und als mal eine kommt, die sie auch kennen, schreit ein Mädchen mit besonders lautem Organ: „Iiiiiiiivonne Catterfeld!!!“ – in einem Tonfall, als meine sie: „Räum sofort dein Zimmer auf!“

Ein Sat.1-Reporter mit besonders eklig hochgegelter Frisur hat derweil den lustigen Einfall, seine Moderation damit zu beginnen, dass er aus dem Kofferraum einer der Limousinen aussteigt, mit der die Promis herangekarrt werden. Er macht ein paar Faxen dazu und motzt nachher seinen Kameramann an, weil der im Gedrängel nicht alles draufbekommen hat.

Das ist der Deutsche Fernsehpreis, eine halbe Stunde bevor es überhaupt losgeht. Und man hat jetzt schon keine Lust mehr. Aber da müssen wir nun durch.

Also: Diesen Samstag wurde im Kölner Coloneum gemeinsam von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 zum siebten Mal der Deutsche Fernsehpreis verliehen. Es war ein fantastischer Abend! Ein Abend der Stars! Ein Abend der Gewinner, die mit Freudentränen ihre verdienten Preise entgegennahmen und sagten: „So eine Überraschung!“, ein Abend, an dem innovative deutsche Unterhaltung ausgezeichnet wurde, kurz: ein Abend für das deutsche Fernsehen, das beste der Welt! So hat es zumindest Dietmar Schönherr behauptet, der sichtlich gerührt den Ehrenpreis der Stifter für sein Lebenswerk entgegennahm, dann aber dennoch zu einer Rede ansetzte, wie sie nur alte Männer halten, die es nicht so recht fassen können, dass sich das Fernsehen so sehr geändert hat, seit sie vor Jahrzehnten ihre letzten großen Shows moderierten. Dabei hat es das gar nicht.

Drei Stunden zuvor waren die Moderatoren Anke Engelke und Hugo Egon Balder auf die Bühne getänzelt und hatten zur Melodie von „Wir sind Helden“ den selbst komponierten Schwachsinnstext „Bitte gebt mir einen Preis“ geträllert. Und Esther Schweins, die als Laudatorin für die „Beste Regie“ geladen war, kam mit Gedicht, in dem sich Begriffe auf „Regisseur“ reimten: Likör, Deserteur, Kontrolleur, Dompteur, Gör. Was soll daran bitte lustig oder modern sein? Rudi Carrell hat schon in den 70ern bessere Scherze gemacht.

Es mag ja durchaus Sinn haben, hervorragende Leistungen im deutschen Fernsehen mit Preisen zu belohnen: die der Regisseure, Ausstatter, Autoren – Leute, die nie vor der Kamera stehen und trotzdem so wichtig sind für eine gute Produktion. Und natürlich gute Schauspieler.

Aber es ist völlig unverständlich, die dazugehörige Veranstaltung auf drei Stunden auszuwalzen, für die TV-Übertragung auf zwei zusammenzufrickeln, dabei ausgerechnet die zuvor bepreisten Regisseure, Ausstatter und Autoren herauszuschneiden und sich insgesamt dreiundzwanzig Kategorien einfallen zu lassen, damit auch ja jeder Sender, der den Spaß mitfinanziert, ein paar Auszeichnungen abräumen kann: beste Krimi-Reihe („Polizeiruf 110“, ARD), beste tägliche Serie („Verliebt in Berlin“, Sat.1), beste Impro-Comedy („Schillerstraße“, wieder Sat.1), beste Sitcom (RTL), Serie (RTL), Unterhaltungssendung (Sat.1), Informationssendung (ZDF), sonst was.

Wigald Boning, der die Nominierten für die „Beste Reportage“ verlesen durfte, witzelte: „Eigentlich hatte ich mich auf ‚Beste Kochsendung‘ eingestellt.“ Ein paar Vorschläge fürs nächste Jahr: beste Einrichtungsshow, beste Wissenssendung, beste Telenovela (Vorabend), beste Telenovela (Nachmittag), beste Supernanny-Kopie.

Natürlich hat so eine Show auch nette Momente: Monica Bleibtreu freute sich ehrlich und spontan über die Auszeichnung als beste Schauspielerin in dem Film „Marias letzte Reise“, der zugleich bester TV-Film wurde. Und Schauspielerin Josefine Preuß war von dem Förderpreis für ihre Rolle in „Abschnitt 40“ zuerst so geschockt, dass man befürchten musste, sie würde gleich weinend von der Bühne stürmen. Dennoch ist die ARD-ZDF-RTL-Sat.1-Gemeinschaftsshow im siebten Jahr endgültig Routine geworden.

Es gibt keine Überraschungen mehr, keine Sieger, von denen niemand geglaubt hätte, dass sie gewinnen, und keine großen Verlierer, weil es im Grunde genommen egal ist, wer den Preis mit nach Hause nimmt. Aufs tägliche TV-Geschäft hat er ja eh keinen Einfluss. Man darf das nicht falsch verstehen: Soll das Fernsehen sich ruhig einmal im Jahr selbst feiern! Aber ein paar neue Ideen würden der Endlosveranstaltung schon ganz gut tun.

Vielleicht ist „Schillerstraßen“-Frau Cordula Stratmann, die sich während ihrer Auftritte als Laudatorin und Preisträgerin immerhin bemüht hatte, witzig zu sein, ganz ähnlicher Meinung. Nach der Show verriet sie einer eifrig O-Töne sammelnden Radioreporterin, dass ihr die Verleihung etwas zu lange gedauert habe: „Sechs Tage sind verdammt viel Zeit. Ich bin fix und fertig jetzt und muss erst mal nach Hause, um mich auszuruhen.“

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