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Ein Butterbrot im Elysée-Palast

KÜCHENKINO In „Die Köchin und der Präsident“ erzählt Christian Vincent die wahre Geschichte der von Catherine Frot gespielten Leibköchin von Francois Mitterand

Die köstlichen Gerichte wie Entenbrust und Beeren-Tartes werden als die eigentlichen Stars des Films in Szene gesetzt

VON WILFRIED HIPPEN

Einst wurden die an den königlichen Höfen aus der Gnade Gefallenen „ans Ende der Welt“ verbannt, und da das französische Präsidenten-System durchaus monarchistische Zügen trägt (von Amts wegen ist der Präsident immer auch „Cofürst von Andorra“), ist es nur konsequent, wenn wir die Heldin dieser Geschichte in der Antarktis kennenlernen. Dort ist Hortense Laborie die Köchin in einer Forschungsstation und wird von allen Mitgliedern der rauen, internationalen Mannschaft wegen ihres sensationell guten Essens auf Händen getragen. Sie soll sogar einmal für den Präsidenten von Frankreich gekocht haben, raunt man der Journalistin eines australischen Kamerateams zu, aber die sehr durchsetzungsfähige ältere Dame will darüber mit ihr nicht sprechen. Doch während man sich noch ein wenig über die Frustration der etwas zu forschen jungen Reporterin amüsiert, ist man schon per Rückblende vom frostigen Südkontinent in die sonnige französische Provinz gesprungen. Christian Vincent arbeitet gerne mit solchen dramatischen Kontrasten, und davon bietet diese Geschichte eine ganze Menge. Etwa den zwischen dem beschaulichen Gasthof, den Hortense zusammen mit einer Trüffelfarm betreibt, und dem Elysée-Palast, zu dem sie in einer geheimen und hochoffiziellen Mission (für sie wartet extra ein TGV-Zug) gebracht wird. Dort bekommt sie ein Angebot, das sie nicht ausschlagen kann. Der französische Präsident möchte, dass sie seine persönliche Köchin wird. Einer seiner Bekannten hatte begeistert ihre traditionell ländliche Küche gelobt, und der Präsident möchte, dass sein Essen so wie bei seiner Großmutter schmecken soll.

Während eine große, streng hierarchisch und traditionell organisierte Zentralküche für das normale Essen im Palast zuständig ist, soll Hortense nur für den Präsidenten und seine persönlichen Gäste kochen. Schnell gibt es Ärger zwischen den alteingesessenen Köchen und der eigensinnigen Frau, die sich weder an deren Kodex noch an deren Regeln hält und die sehr von sich selber überzeugten Männer bald durch ihre vom Präsidenten sehr geschätzten Kochkünste demütigt. Zusammen mit einem talentierten jungen Konditor behauptet sie eine Zeitlang souverän ihre Position, und von diesen ständigen Grabenkriegen zwischen den alten Garden der Küche und der individualistischen Rebellin erzählt Vincent hier ausführlich. Die Ironie liegt dabei auch darin, dass hier die von den Köchen betriebene Nouvelle Cuisine für das Überkommene steht und die Hausmannskost von Hortense für die wahre Avantgarde. Der Film bietet eine Inneneinsicht des französischen politischen Systems, der allerdings dadurch zugleich originell und beschränkt ist, dass er aus der Perspektive der Köchin erzählt wird. Und so bleiben die Machtspiele etwa im Vergleich zu dem auch gerade in den Kinos laufenden „Der Aufsteiger“ dann doch eher Küchenintrigen, bei denen Catherine Frot die Heldin mit solch einer forschen und bodenständigen Persönlichkeit ausstattet, dass man sich über jeden ihrer kleinen Siege gegen das zentralistische Küchensystem freut.

Der Film, basiert auf den Erlebnissen von Daniéle Delpeuch, die zwei Jahre lang Francois Mitterand bekochte. Als dessen schwere Krankheit einen strengen Diätsplan nötig machte, übernahmen die Nahrungsberater und Rechnungsprüfer zunehmend die Macht in seiner Küche. Vincent inszeniert dies als eine Aneinanderreihung von Demütigungen, bei denen Hortense ständig die nicht messbaren Qualitäten ihrer Küche gegen Zahlen verteidigen muss. Gegen zu hohe Kalorien und zu teure Zutaten ist bei verkniffenen Pfennigfuchsern schwer zu argumentieren, und so bleibt der Heldin nur der Triumph eines guten dramatischen Abgangs, der sie schließlich in der Antarktis landen lässt.

„Les Saveurs du Palais“, so der Originaltitel, ist als eine sanft wehmütige Komödie angelegt und Vincent will in erster Linie intelligent unterhalten. Dafür schwelgt er im Luxus und kulinarischen Genüssen. So hatte er Drehgenehmigung im Elysée-Palast und man merkt den Aufnahmen seine Faszination von dessen feudalem Prunk an. Noch hemmungsloser zelebriert er natürlich das Essen. So werden die köstlichen Gerichte wie Entenbrust, Beeren-Tartes und ein spezielles, mit Gemüse gefülltes Omelette als die eigentlichen Stars des Films in Szene gesetzt. Doch der kulinarische Höhepunkt bleibt jenes einfache Butterbrot, für das sich der Präsident (der von Jean Dórmesson als eine mysteriöse, namenlos bleibende Erscheinung gespielt wird) nachts in die Küche schleicht und das Hortense ihm dick mit Trüffeln belegt. Und sie sieht, wie es ihm schmeckt.

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