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heute in Bremen„Bleiberecht erkämpft“

debatte Christian Jakob erklärt, wie die Flüchtlinge Wegbereiter der Willkommenskultur wurden

Christian Jakob

36, Soziologe, taz-Redakteur früher in Bremen, heute weltweit für Reportage und Recherche.

taz: Christian, welche Entwicklung stellst du in deinem Buch dar?

Christian Jakob: Die Entwicklung von Deutschland zu einem Einwanderungsland wird dargestellt. Das wurde durch die Migranten und Flüchtlinge begünstigt, die nicht akzeptiert haben, hier „nicht erwünscht“ zu sein. Sie sind geblieben und haben ihr Recht eingefordert und den Prozess vorangetrieben.

Inwiefern haben sich die Zivilgesellschaft und staatliche Institutionen seit dem Asylkompromiss der 1990er verändert?

Erst mal handeln die Medien anders: In den 90ern waren die eher kontra Einwanderung. Heute begünstigen sie den Prozess. Die Gesetze von damals sind gekippt und neue eingeführt worden, die es Migranten einfacher machen, zu bleiben.

Und auch die Einstellung der Bevölkerung hat sich geändert?

Ja, definitiv. Der ganze Hype um das Thema „Refugees Welcome“ ist ein eindeutiges Indiz dafür. Die Welle der Solidarität zeigt, dass Migranten in unserem Land willkommen sind. Auch die rassistischen Übergriffe rufen heute Solidarität mit Flüchtlingen hervor, anders als in den 90er-Jahren.

Aber mittlerweile erreicht eine durchaus rassistische Partei breite Zustimmung!

Die AfD ist eine Folge dieses Prozesses. In meinem Buch stelle ich dar, was diesen Prozess begünstigt hat, und auch, wie sich die Flüchtlinge, die keinen legalen Weg hatten, um nach Deutschland zu kommen, ihr Bleiberecht erkämpft haben.

Hättest du dir mehr von der Politik erhofft, wenn du sagst, dass die Flüchtlinge selbst die Willkommenskultur machen?

Das, was im Laufe der Jahre passiert ist, konnte nur geschehen, weil die Migranten und Flüchtlinge sich dies erzwungen haben. Es wäre schöner gewesen, wenn dies ohne diese Kämpfe um das Recht hätte geschehen können.

interview: Jenny Häusler

Präsentation und Gespräch mit Sunny Omwenyeke (The Voice Refugee Forum), DGB-Haus, 19.30 Uhr

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