Offener Tisch Wer an der Verpflegung spart, wird beim nächsten Wohnungswechsel kaum noch Helfer finden
: Umziehen mit Kartoffelsalat

Das Umzugspersonal bei Fleischküchle und verheiratetem Kartoffelsalat Foto: Patrick Bauer

Von Philipp Maußhardt

Laut der Untersuchung eines großen Immobilienmaklers zieht der durchschnittliche Deutsche fünf Mal in seinem Leben um. Damit liegt er deutlich vor dem Italiener (2,2), aber hinter dem Finnen (6,1). Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass der Mangel an äußerer Wärme zu innerer Unruhe führt.

Mein Umzug vor ein paar Wochen war mein sechzehnter Wohnungswechsel. Ich habe in den Jahren gelernt, auf was bei einem Umzug unbedingt zu achten ist. Ich meine jetzt nicht die Zahl der Kartons oder die Größe des Lieferwagens. Das ist letztlich unwichtig im Vergleich zur Verpflegung der Umzugshelfer. Sie ist das Allerwichtigste. Wer hier spart oder nachlässig ist, wird beim nächsten Umzug ohne Kistenträger dastehen. Das spricht sich herum und dann haben die Freunde plötzlich an diesem Tag keine Zeit.

In meiner Gegend werden die Möbelschlepper oft mit einem Lkw zur Mittagszeit abgespeist. Einem billigen Leberkäse-Wecken vom nächstbesten Metzger oder Back-Shop. Das ist nicht nur stillos, es ist auch herzlos und gedankenlos und geschmacklos. Man soll dem Ochsen, der da trägt, das Maul nicht mit schlechter Nahrung stopfen. Wer schuftet, hat einen Anspruch auf ein ordentliches Mittagessen.

Für die Fleischküchle

1 kg Bio-Rinderhackfleisch

2 Zwiebeln

1 Bund Petersilie

200 g altes Weißbrot

200 ml Milch

200 ml Wasser

2 Eier

Salz, PfefferDas Brot klein schneiden und in der Milch und dem Wasser zehn Minuten einweichen, dann mit den Händen gut ausdrücken. Die Zwiebel sehr fein hacken, mit dem Fleisch und allen anderen Zutaten zum Brot geben und mit den Händen durchmischen. Zu Bällchen formen und etwas platt drücken. Bei milder Hitze so lange braten, bis sich eine dunkelbraune Kruste bildet. Erst dann umdrehen und von der anderen Seite anbraten.Für den Kartoffelsalat

1,5 kg festkochende Kartoffeln

1 Salatgurke

1 Zwiebel

200 ml Fleischbrühe

200 ml Apfelessig

200 ml Sonnenblumenöl

Salz, weißer PfefferDie Kartoffeln kochen und erkalten lassen. Schälen und zu feinen Rädchen schneiden. Die Zwiebel über einem Reibeisen zermusen und zusammen mit der Brühe und dem Essig zu den Kartoffeln geben. Etwa 15 Minuten ziehen lassen. Erst dann das Öl beimischen und mit Salz und etwas weißem Pfeffer würzen.

Ich hatte schon frühzeitig gestreut, dass am Tag des Umzugs meine Mutter ihre weithin bekannten Fleischküchle machen würde. Was zur Folge hatte, dass ich mir mein Personal aussuchen konnte. Fleischküchle, in anderen Regionen auch Fleischpflanzerl, Buletten oder Frikadellen genannt, sind das ideale Umzugsessen. Sie lassen sich gut vorbereiten und warmhalten. Außerdem mobilisiert der Geruch aus der Bratpfanne noch einmal die letzten Kräfte und motiviert jeden müden Möbelpacker kurz vor der verdienten Pause noch einmal zu Höchstleistungen.

Das Geheimnis der guten Bulette ist ihre Konsistenz. Die Kruste muss braun und bisshart sein, während ihr Inneres als weiche Masse sich im Mundraum fast vergießt. Die Unsitte vieler Metzger, Fleischbrät anstelle von frischem Hack zu verwenden, macht aus vielen Buletten eher gummihafte Quietschebällchen, die an Marshmallows erinnern. Dazu gehört ein Kartoffelsalat, der gerne auch verheiratet sein darf. Ein „verheirateter Kartoffelsalat“ ist im Schwäbischen eine eheähnliche Verbindung von Kartoffel und Salatgurke. Dadurch wird er saftiger und leichter und liegt, was für die folgende Arbeitszeit nicht unwichtig ist, nicht so schwer im Magen.

Ein „männlicher Umzugshelfer“ verbraucht an einem Umzugstag etwas mehr als 2.000 Kalorien, „und zwar schon im Ruhezustand“. Das schreibt die „Pronto-Business Media GmbH“ auf ihrer Internetseite „Umzugs-Info“. Gar nicht auszudenken, wenn dieser „männliche Umzugshelfer“ auch noch arbeitet. Und wer nicht weiß, wie man so eine Bulette ohne Tisch und Stühle zu sich nimmt, findet bei „Umzugs-Info“ auch dazu die praktische Lebenshilfe. Man könne eine Tischdecke auf den Boden legen. Und ein Sitzkissen dazu. „Dann wird es schon fast gemütlich.“

Das Geheimnis der guten Bulette ist ihre Konsistenz

Wir hatten einen Gartentisch aufgestellt. Um uns herum lag noch das Abfallholz vom neu verlegten Parkettfußboden, und Farbeimer umrahmten den Speiseplatz. Das Provisorische gehört ja auch in hippen Restaurants von Neukölln inzwischen zur Standard-Einrichtung. Servietten werden nur h geknautscht, nicht mehr gefaltet, Tapeziertische sind viel cooler als Tische mit weiß-gesteiften Decken.

Als meine Mutter die Fleischküchle brachte, brauste Jubel auf. Und lange schallt’s im Walde noch, Anneliese lebe hoch.

Essecke: Philipp Maußhardt schreibt auf dieser Seite jeden Monat über das Essen in großen Runden. Außerdem im Wechsel: Jörn Kabisch befragt Praktiker des Kochens. Waltraud Schwab macht aus Müll schöne Dinge, und unsere Autoren treffen sich mit Flüchtlingen zum gemeinsamen Kochen