: Zwei vor, eins zurück
Deckel Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll langsamer voranschreiten. Auch die Beteiligung von Bürgern wird schwierig
Aus Freiburg Bernward Janzing
„Das Schlimmste“ sei verhindert worden, urteilte gestern Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Ein Durchbruch und eine zukunftsfähige Lösung sei das Resultat der Verhandlungen jedoch nicht.
Als einer der ersten Landespolitiker äußerte sich Untersteller damit nach den langen Gesprächen zwischen Bund und Ländern über die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Vor allem nannte er es „absurd, die Netze für Braunkohlestrom frei zu halten, indem die Erneuerbaren gebremst werden“.
Die Deutsche Umwelthilfe warnte gar, die Beschlüsse gefährdeten die Akzeptanz der Energiewende. Es sei fatal, wenn nur noch Kapitalgesellschaften ohne lokalen Bezug zur Energiewende beitragen können; für Bürgerenergien, kleine Biogasanlagen und Photovoltaik auf Mehrfamilienhäusern und für das Gewerbe werde eine Beteiligung an der Energiewende zunehmend schwieriger.
Allein die Bundesregierung sieht das EEG, wie sie gestern mitteilte, „auf gutem Weg“. Bund und Länder hätten sich „auf Grundzüge der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verständigt“. Doch mit ihrer Formulierung, dass „die größte Wegstrecke zurückgelegt“ sei, machte Angela Merkel auch deutlich, dass es noch immer Differenzen gibt, vor allem was die Bioenergie angeht.
Fest steht bereits: Die Bundesregierung hat für das Jahr 2025 ein wenig ambitioniertes Ziel definiert. Denn lediglich 40 bis 45 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland sollen dann aus erneuerbaren Energien gedeckt werden – verglichen mit den zurückliegenden Jahren ein äußerst bescheidener Fortschritt. 2015 lag Deutschland bereits bei 33 Prozent Ökostromanteil, allein binnen zwei Jahren war der Wert um 7 Prozentpunkte gestiegen. Nach dem Regierungsplan sollen nun in zehn Jahren lediglich weitere 7 bis 12 Prozentpunkte hinzukommen.
Um die Dynamik zu begrenzen, soll das Förderkonzept ab 2017 komplett umgestaltet werden. Bislang wurden die betreffenden Erzeugungsanlagen durch fixe Einspeisekonditionen gefördert. Wer zu den gegebenen Bedingungen an einem Standort wirtschaftlich arbeiten konnte, und – sofern für die Anlage nötig – eine Baugenehmigung bekam, konnte sein Projekt realisieren. Die bundesweite Zubaumenge ergab sich dann schlicht aus den Marktbedingungen.
Diese Praxis will die Bundesregierung nun beenden. Sie will stattdessen feste Zubaumengen definieren, die künftig ausgeschrieben werden. Um die Volumina der Kontingente wurde allerdings lange gerungen. Bei der Windenergie an Land soll der jährliche Zubau künftig bei 2.800 Megawatt liegen. Das ist ein Bruttowert, das heißt, für den Rückbau von Altanlagen gibt es keine Zusatzkontingente. Letztes Jahr wurden in Deutschland gut 3.700 Megawatt an Windkraftanlagen neu errichtet.
Zugleich soll die räumliche Verteilung der Anlagen stärker gesteuert werden: In Norddeutschland soll der Zubau auf 60 Prozent dessen reduziert werden, was im Durchschnitt der letzten drei Jahre installiert wurde. Begründung: Es fehle an Netzen.
Damit wird die Windbranche zwar gebremst, ihr Einsatz der letzten Wochen hat sich aber gelohnt. Denn zeitweise waren noch deutlich niedrigere Zahlen im Gespräch. Anfangs sollte die Windkraft sogar zu einer reinen Steuerungsgröße degradiert werden, deren Ausbau sich aus einer komplexen Formel ergeben sollte, in die auch der Zubau aller anderen Technologien eingeht. Nun kann die Branche mit dem Ergebnis leben: „Wir danken den Bundesländern für ihren deutlichen Einsatz“, sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie.
Was die Branche allerdings noch umtreibt, sind Pläne, zum kommenden Jahr die Vergütungen für Neuanlagen, die noch unter das alte EEG fallen, pauschal um 5 oder gar 7,5 Prozent zu senken. Denn das würde Projekte treffen, deren Anlagen genehmigt und bereits bestellt sind und die kaufmännisch längst durchkalkuliert sind. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) nennt diese Pläne einen „ordnungsrechtlichen Sündenfall“.
Unterdessen stehen auch bei der Photovoltaik Ausschreibungen an. 600 Megawatt sollen jährlich davon umfasst sein. Zusammen mit kleineren Anlagen, die nicht an der Ausschreibung teilnehmen, setzt die Bundesregierung einen Gesamtzubau von 2.500 Megawatt pro Jahr an.
Allerdings ist völlig unklar, wie diese Menge erzielt werden soll, nachdem im vergangenen Jahr lediglich 1.460 Megawatt installiert wurden. Entsprechend kritisiert der Bundesverband Solarwirtschaft, auf Basis der jüngsten Verhandlungsergebnisse sei „die angestrebte Wiederbelebung der Photovoltaiknachfrage nicht erreichbar.“
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