„Den Investor als Mensch zeigen“

VISION 2007 kauft der chinesische Investor Jonathan Pang einen ehemaligen Militärflughafen in der mecklenburg-vorpommerischen Provinz, um daraus einen internationalen Flughafen zu machen. Zwei süddeutsche Filmemacher begleiten ihn dabei. Ein Gespräch mit Manuel Fenn, Koregisseur und Kameramann, über Ankunft und Abflug auf „Parchim International“

Herr Pang auf seiner Landebahn in Parchim Foto: Neue Visionen Filmverleih

Interview Julia Boek

taz: Herr Fenn, welcher Flughafen wird eher fertig werden? Parchim International oder der BER?

Manuel Fenn (lacht): Ich glaube, der BER sollte es schon schaffen, schneller fertig zu werden. Herr Pang sagt selbst, dass er die Umsetzung seiner Vision wahrscheinlich gar nicht mehr erleben wird.

Wie ist denn der aktuelle Stand in Parchim? Sitzt der Fluglotse inzwischen in seinem neuen Tower?

Ja, im Moment ist es so, dass Herr Pang noch einmal investiert hat und zusätzlich Terminals gebaut hat, um dort Passagiere abfertigen zu können. Die momentane Idee von Herrn Pang ist, Chinesen nach Parchim zu locken.

Wieso sollten Chinesen in die norddeutsche Provinz fliegen?

Wegen der schönen Natur, der frischen Luft und auch weil sie hier Waren finden, die sie interessieren. Herr Pang würde vor allem Billigflüge anbieten wollen, die billiger sind als Flüge nach Hamburg oder Berlin. Die anderthalbstündige Distanz von Parchim nach Hamburg und Berlin interessiert Chinesen nicht, die sind andere Entfernungen und Dimensionen gewöhnt.

In Ihrem Film zeichnen Sie und Regisseur Stefan Eberlein Herrn Pang als einen rastlosen, von seiner Idee besessenen, Geschäftsmann. Was treibt ihn Ihrer Meinung nach an?

Ich denke, dass da sehr viel unternehmerischer Ehrgeiz ist. Herr Pang möchte Erfolg mit diesem Projekt haben und nicht scheitern. Er ist Kind einer Generation, die in der Phase aufgewachsen ist, in der China zu viel Geld gekommen ist. Selbst kommt er aus sehr ärmlichen Verhältnissen, er kennt also beides. Ich glaube, er empfindet große Lust, Geld zu verdienen.

Haben Sie im Lauf der Dreharbeiten Verständnis für seine Visionen entwickeln können?

Also die ganz große Vision – ein Klein-Schanghai oder -Dubai in Parchim entstehen zu lassen – blieb für uns ein Traum, ein Konstrukt.

Hat er jemals an sich gezweifelt?

Eigentlich nicht. Sobald er in Deutschland war, war er wie ein Aufziehmännchen und hastete von einem Termin zum nächsten.

In einer Szene besucht Herr Pang seine Mutter in der chinesischen Provinz. Beim Gespräch über seinen Vater, zu dessen Beerdigung er nicht kommen konnte, weil er geschäftlich verhindert war, wird Herr Pang plötzlich sehr emotional. Wie haben Sie als Filmemacher diese Situation erlebt?

Wir waren komplett überrascht. Als Kameramann war ich auch unmittelbarer davon betroffen, weil ich im Moment entscheiden musste, wie ich das drehe und ob ich weiterfilme. Die Szene passierte im letzten Jahr unserer Drehzeit, da hatten wir schon ein enges Vertrauensverhältnis. Diese Szene ist die Essenz von dem, was wir von Anfang an wollten, nämlich die Chance ergreifen, einen chinesischen Investor als Mensch kennenzulernen.

Sie wollten die menschliche Seite des chinesischen Investors für das europäische Publikum erzählen?

Ja, das ist auch das Pfund des Films. Wir haben es geschafft, die Vorurteile und Klischees, die man hierzulande von „chinesischen Invasoren“ hat, einfach mal zu brechen und den Mensch hinter dem Investor, dem Kapitalisten zu zeigen.

Sie haben Herrn Pang sieben Jahre lang begleitet: Wie haben Sie sein Vertrauen gewonnen?

Manuel Fenn

Foto: privat

Der gebürtige Münchner, Jahrgang 1969, studierte Kamera an der Film­universität Babelsberg „Konrad Wolf“. 2000 gründete er zusammen mit Stefan Eberlein, mit dem er bei „Parchim International“ Regie führte, die Produktionsfirma „Filmbüro-Süd“, in der zahlreiche Reportagen und Dokumentarfilme entstanden sind.

Tatsächlich einte uns in den ersten drei Jahren dieses Projekts die Tatsache, dass wir für unseren Film keinen Cent Geld hatten, aber trotzdem gedreht haben. Herr Pang fragte uns immer: „Aber womit verdient ihr denn jetzt Geld?“

Ihr Engagement hat ihn beeindruckt . . .

Das hat ihn total beeindruckt. Und ihm ging es in den ersten Jahren – während der Wirtschaftskrise 2008/2009 – ganz genauso. Er war auch auf Geldsuche. Wir haben seine Hartnäckigkeit bewundert und er unsere. Das war die erste Phase, in der ein gegenseitiger Respekt da war. Das Vertrauen entstand dann über die Jahre. Es ist das Privileg einer Langzeitproduktion, dass man so viel Zeit hat, um ein Verhältnis zu seinem Protagonisten aufzubauen.

In einer der ersten Szenen, den Feierlichkeiten für den Startschuss des Großprojekts Parchim International, zählt Herr Pang den Countdown auf Deutsch „3, 1, 2“ falsch runter. Auch sind viele Szenen im Film mit komödiantischer Musik unterlegt. Wie findet Herr Pang das?

Er hat das total akzeptiert, kann auch über sich selbst lachen und steht komplett hinter dem Film. Zumal es darin auch ernsthafte und nachdenkliche Szenen gibt, sodass hoffentlich nie der Eindruck entsteht, dass wir uns über ihn oder andere Protagonisten lustig machen wollten.

Sie mussten ihm nichts erklären?

Nein. Das erste Mal, als er den Film gesehen hat, hat er ihn mit starrer Miene angeguckt und danach gesagt: „The fact is the fact.“

Wie erging es Ihnen in diesem Moment?

Wir waren erleichtert. Auch wenn wir erwartet hätten, dass er emotionaler dabei ist. Beim zweiten Mal, der Film lief auf dem Dok-Festival in Leipzig, ist er extra zur Premiere aus China angereist. Da hatte er während des Films fast durchgehend feuchte Augen und ist anschließend auf der Bühne gewesen. Am liebsten würde er den Film einkaufen und in China vertrieben.

Im Film treffen die unterschiedlichen Lebenswelten des chinesischen Geschäftsmannes und der Parchimer aufeinander: Fühlt sich Herr Pang von den Parchimern verstanden?

Herr Pang war selten im unmittelbaren Kontakt mit den Parchimern. Da hat er sich – wahrscheinlich gar nicht mal bewusst – ein bisschen distanziert. Ich glaube, dass er auch Berührungsängste hatte. Er war nie in einer Bürgersprechstunde, das hat er seinen deutschen Berater machen lassen.

Was hält denn der gemeine Parchimer von „Parchim International“ und seinem chinesischen Investor?

Der Film: 2007 kauft der chinesische Investor Jonathan Pang einen alten Militärflughafen in einer kleinen norddeutschen Stadt namens Parchim. Er will hier eine internationale Drehscheibe für Flugfrachtverkehr zwischen China, Europa und Afrika schaffen. Herr Pang hat sich nicht weniger vorgenommen, als die internationalen Warenströme umzulenken und aus Parchim ein neues Zentrum der Globalisierung zu machen. Doch passt seine Idee in die mecklenburg-vorpommerische Provinz?

Die Kinos: Zum bundesweiten Kinostart am 19. Mai 2016 wird der Film in Berlin, in Potsdam, Leipzig, Dresden, Halle, Erfurt, Rostock, Neustrelitz, Boizenburg und Parchim gezeigt.

Da ist so eine Grundskepsis sowohl bei den Flughafenangestellten als auch bei den anderen Parchimern. Diese bezieht sich auf die Dimension des Vorhabens und darauf, dass Herr Pang ein Chinese ist, den man, zumindest vor unserem Film, nicht greifen konnte. Auch zieht sich das Projekt so lange hin. Was aber den Angestellten bewusst ist, ist, dass Herr Pang jeden Monat eine große Summe Geld – er spricht von 3 Millionen Euro pro Jahr allein an Betriebskosten – bezahlt, und damit 20 bis 30 Arbeitsplätze sichert.

Im Film kommt Herr Pang auch auf die Idee, Fisch aus den Mecklenburger Seen im großen Stil zu exportieren. Letztlich scheitern die Verhandlungen mit dem örtlichen Fischer an den Fangmengen und Fangquoten, was Herr Pang nicht verstehen kann.

Zunächst prallen in dieser Szene die unterschiedlichen Kulturen aufeinander: Der Zuschauer bekommt die chinesische Mentalität zu spüren, einfach loszulegen, ohne nach links und rechts zu gucken. China ist viel zu schnell zu Geld gekommen, mit der Folge, dass die Wirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste agiert. Unmittelbar vor der Szene mit dem Fischer stellt Herr Pang seinem deutschen Berater die Frage: „It’s not allowed to produce fish, or what?“ Das zeigt dieses Moment: Da ist ein See, da sind Fische und die nehmen wir uns und machen damit Geld. Nach und nach geht den Chinesen nun das Licht auf, dass es so nicht weitergehen kann.

Sie kommen gebürtig aus Bayern, Ihr Kollege Stefan Eberlein aus Baden- Württemberg. Wie ist das Filmteam in Parchim eigentlich angekommen?

Bei den ersten Drehs wurden wir mit der lokalen Presse, die eher negativ über das Investitionsprojekt berichtet hat, in einen Topf geworfen. Wir mussten erst mal erklären, was wir wollen und uns dann auch beweisen. Um zum Beispiel die Szenen mit der Feuerwehr drehen zu können, die Rasen mähen, frühstücken, haben wir ein paar Jahre gebraucht. So lange hat es gedauert, bis sie uns vertraut haben.

Warum sollte man sich Ihren Film ansehen?

Weil der Film die Gelegenheit bietet, einen chinesischen Investor als Mensch kennenzulernen. Unser Film möchte nicht bewerten, sondern die Zuschauer dazu bringen, sich mit Klischees und Vorurteilen kritisch auseinander zu setzen.