Studi-Protest in Bremen: SMS gegen Anwesenheitspflicht
Studierende kritisieren Studienbedingungen, Prüfungsstress und Anwesenheitspflicht auf einer mit 500 BesucherInnen schwach besetzten Vollversammlung.
Rund 500 Studierende protestierten am Dienstag bei einer Vollversammlung (VV) für mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Studium und die Reduzierung unnötigen Prüfungsaufwands. Angesichts 18.000 Eingeschriebener erscheint die Anwesenheit auf der VV eher gering. 2013 hatten noch 2.000 Menschen an der Versammlung teilgenommen.
Es seien „superwichtige Themen“, die alle Studierenden beträfen, sagt Asta-Sprecherin Irina Stinga zur taz. Nur seien die eben sehr kompliziert und schwer greifbar, erklärt sie die geringe Teilnahme. Die ebenfalls im Asta aktive Kristin Reimers betont dennoch: Die Versammlung habe gezeigt, dass Prüfungsstress, Leistungsdruck und die Pflicht zur Anwesenheit viele StudentInnen bewege und beschäftige.
Drei Beschlüsse verabschiedeten die anwesenden Studierenden mit großer Mehrheit. So sprach sich die Versammlung etwa für die Regelstudienzeit von acht Semestern aus. Bisher gelten sechs Semester als Regel. Dabei geht vor allem um Geld: Wer länger studiert, bekommt kein Bafög mehr.
Starke Kritik wurde an dem Zentralen Prüfungsamt (ZPA) geübt. In Erfahrungsberichten wurden Probleme mit dem Amt verlesen: schlechte Erreichbarkeit oder die Verweigerung von Prüfungsteilnahmen. Das Rektorat wurde aufgefordert, mehr Personal einzustellen.
Einen „ersten Erfolg unseres Protests“ konnte eine Rednerin auf der Versammlung bereits verkünden: Das Prüfungsamt trägt statt einer Fünf nun ein „Versäumnis“ bei nicht erbrachten Prüfungsleistungen ein. „Ein direkter Verhandlungsprozess fand nicht statt“, sagte Stinga vom Asta. Doch Studi-Protest und öffentlicher Druck hätten die Uni dazu bewegt, ihre Linie zu ändern.
In den letzten Monaten verteilte das ZPA eigenmächtig Noten, wenn Prüfungen nicht abgelegt oder Noten nicht binnen sechs Wochen eingetragen wurden. Die mögliche Folge: Exmatrikulation.
Unmut herrschte auch über die Anwesenheitspflicht. Die wird in einigen Studiengängen von Lehrenden durchgesetzt. Dabei sei sie laut Richtlinie des Rektorats nicht erlaubt, wie der Redner des „Arbeitskeitskreis Anwesenheitspflicht“ betonte. Er forderte das Rektorat auf, ein striktes Verbot der Pflicht auszusprechen. Vor allem für Studierende mit Kindern oder Lohnarbeit neben dem Studium bringe die Pflicht Probleme mit sich. „Diese Lebensrealitäten sind mit Anwesenheitspflichten absolut nicht vereinbar“, so der Arbeitskreis.
Da die von einzelnen Lehrenden verhängte Pflicht zur Anwesenheit offiziell nicht besteht, gibt es auch keine Ausnahmeregelungen. Die Folge sind langwierige Diskussionen und Verhandlungen mit den Dozierenden. Häufig müssen Studierende Ersatzleistungen erbringen. Doch der Beschluss der VV macht deutlich: Man will im Grunde auch keine Ausnahmen, sondern ein grundätzliches Verbot der Praxis
„Wir haben versucht, einen Solidaritätsgedanken zu fördern“, sagt Stinga. Etwa durch das „Fundbüro für Anwesenheitslisten“: Seit April werden hier geklaute Listen gegen eine Belohnung eingetauscht. Auch sonst gab man sich kämpferisch: Ein Redner schlug etwa vor, die Festnetzanschlüsse des Rektorats mit Protest-SMS gegen die Anwesenheitspflicht zu beschicken. Das automatische Verlesen dieser Textnachrichten würde „mehrere Stunden“ dauern, sagt er.
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