Poetisch fragmentierte Bäume

Langsamkeit Margaret Honda, derzeit im Bremer Künstlerhaus präsent, zerlegt Natur und Plüsch mit Licht und Schere. Manche Werke schmilzt sie auch unverfroren ganz ein und formt sie neu

Kino mal anders: Margaret Hondas „Film“ im Künstlerhaus Bremen Foto: Marcus Meyer

Von Radek Krolczyk

Das Bremer Künstlerhaus gehört zu den eigenwilligsten Ausstellungshäusern in Norddeutschland. Gleichzeitig ist es eines der kleinsten. Fanny Gonella, die Direktorin des Künstlerhauses, zeigt immer wieder Einzelausstellungen spannender internationaler Künstlerinnen und Künstler, die in Deutschland noch vollkommen unbekannt sind. Derzeit geht es um die 1961 in Los Angeles geborene Margaret Honda.

Was dabei an den von Gonella kuratierten Einzelausstellungen stets besticht, ist die Sparsamkeit der Arbeiten. So auch in der Präsentation von Hondas Werken, die zurzeit unter dem Titel „An Answer to ‚Sculpture‘“ zu sehen ist. Darin sieht man zwei sehr unterschiedliche Arbeiten, eine alte und eine neue, eine materielle und eine immaterielle. Es sind starke ästhetische Setzungen, und beide haben ausreichend Platz zum Atmen.

Die neue Arbeit hat den Titel „Film“, und für sie hat Honda die 56 quadratischen Fensterscheiben des Ausstellungsraums mit farbigen Lichtfiltern der Firma Rosco überklebt. Sie werden gewöhnlich von der Filmindustrie verwendet. Durch die Folien verändern und fragmentieren sich die blühenden Bäume im Hof des Künstlerhauses. Zerfallen in rote, blaue und grüne Sequenzen. Daneben ziehen sich Farbspuren über die Decke, die Wände und den Boden der Galerie. Und, natürlich, mit dem Licht verändert sich der Raum, den ganzen Tag lang.

Es ist eine sehr langsame Arbeit, der man eine ganze Öffnungszeit lang zusehen kann. Die E-Colour+-Serie der Rosco-Lichtfilter umfasst 323 verschiedene Folien. Die Namen der Farben sind seltsam und schön: Full Atlantic Frost, Surprise Peach, Fire. Das gesamte Farb-Set hat Honda in sechs Partituren unterteilt, die während der 14 Ausstellungswochen wechseln.

Während dieser Zeit verändern sich auch die Tage. Sie werden länger, die Sonne wird intensiver. Es ist eine Ausstellung, deren Verwandlung man vom Frühjahr bis zum Spätsommer zusehen kann. Vielleicht ist es eine der langsamsten Ausstellungen der Welt. Und sie hat Tiefe: Den abstrakten Kategorien von Raum und Zeit begegnet ein sehr konkrete der Mittel der Filmindustrie. Was daraus entsteht, ist Poesie.

Und während dieses Werk eine eher immaterielle Verwandlung präsentiert – gefiltertes Licht bricht sich im Raum –, sind andere Honda-Arbeiten durchaus handfest materiell.

1989 etwa fertigte sie aus Bronze eine Plastik mit dem Titel „Fish Trap“. Sie verkaufte es an ein Museum und lieh es einige Zeit später für eine Ausstellung. Sie fragte, ob sie die Plastik etwas verändern dürfe. Und weil sie durfte, schmolz sie die Figur ein und brachte das Metall in eine neue Form. Diesen Vorgang wiederholte sie später nochmals. Es gibt in den USA ein Museum, das in seiner Sammlung eine Arbeit beherbergt, die sich über die Jahre immer wieder verändert.

Vielleicht istdiese sich ständigwandelndeAusstellung dielangsamste der Welt

Eine ebenfalls plastische Arbeit, die Honda seit 2007 verfolgt, ist eine Serie überdimensionierter Plüschtierhäute. Zwei davon sind im hinteren Teil der Galerie zu sehen. Die Hüllen von „Brown Puppy IV“ und „Big Mr. Elephant“ wurden über weiße Sockel gehängt.

Sie sind aus unterschiedlich gemusterten Stoffen zusammengenäht und wirken für Plastiken recht spannungsarm. Man kann sich zunächst auch nicht so recht entscheiden, ob es sich um teuren Stoff handelt oder um wertlose Lappen. Sobald man aber weiß, dass es sich um nachgeschaffene, vergrößerten Häute von Plüschtieren handelt, beginnt man nach Körperteilen zu suchen – und findet sie: Schlappohren, Beine und Augen. Nichts spricht dagegen, sie mit Schaumstoff oder Sägemehl aufzufüllen: Bei Honda ist Veränderung jederzeit möglich.

bis 31. 7., Künstlerhaus Bremen

Der Autor ist Betreiber der Bremer Galerie K‘