Fliegerhorst im Sturzflug

URTEIL Der Flughafen in Nordholz hatte nie eine Genehmigung, so das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einem Urteil. Stationiert sind hier die Marineflieger, Probleme könnte das der zivilen Luftfahrt bescheren.

Flugbetrieb ohne Genehmigung: auf dem Militärflugplatz Nordholz im Landkreis Cuxhaven Foto: Ingo Wagner/dpa

von Jean-Philipp Baeck

Wäre der Betrieb des Flughafens Nordholz eine Reise in einem Verkehrsflugzeug, würden spätestens jetzt die Sauerstoffmasken von der Decke baumeln. Denn das, was die Richter des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (OVG) in einem Urteil über den Flughafen im Landkreis Cuxhaven schreiben, hat es in sich: „Der Militärflugplatz Nordholz wurde zu keinem Zeitpunkt formell genehmigt und gilt auch nicht als genehmigt“, heißt es da. Es sind nur ergänzende Ausführungen in einer Entscheidung, in der die Richter eigentlich über die Verlegung des Marinefliegergeschwaders 5 nach Nordholz urteilten: Sehr wohl müsse geprüft werden, wie sich diese Erweiterung der Flughafennutzung auf die Umwelt auswirkt. Sie ließen keine Revision zu, das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Schon jetzt aber sorgt es bei den Behörden, der Marine und den Fliegern für rote Köpfe.

Denn die örtlichen Bürgerinitiative gegen Fluglärm hat nicht lange gefackelt: Bei der zuständigen Landesverkehrsbehörde beantrage sie einen sofortigen Flugstopp. Dort brütetet man derzeit noch über dem Urteil, genauso wie im Luftfahrtamt der Bundeswehr. Von beide Stellen kommt aktuell kein Kommentar.

Die Gründe dafür, warum der Flughafen ohne Genehmigung sei, liegen weit zurück: 1959 trat mit dem Luftverkehrsgesetz eine neue Genehmigungs-Pflicht für Flughäfen in Kraft. Älteren Anlagen wurde ein Bestandsschutz eingeräumt, sofern sie bis zum Stichtag des 31. Dezembers 1958 bereits angelegt waren. Der Fliegerhorst Nordholz war da zwar in Planung, wurde aber erst später angelegt, hätte also einer Genehmigung bedurft, die bis heute nicht vorliegt. Das Verwaltungsgericht Stade hatte das bereits 2014 in zwei unabhängigen Urteilen festgestellt. Die Formulierung eines Oberverwaltungsgerichtes hat indes noch einmal mehr Gewicht.

Treffen könnte ein Flugstopp allerdings vor allem den zivilen Flugbetrieb des Sea-Airports Cuxhafen/Nordholz. Der nutzt seit ein paar Jahren die militärischen Anlagen mit. Erst seit ein paar Wochen zog auch der Aero-Club Bremerhaven nach Nordholz um, weil deren Flugplatz Luneort dem womöglichen Baus des Offshore-Terminals in Bremerhaven im Weg ist. Über das Urteil sei er „entsetzt“, sagte der Aero-Club-Vorsitzende Markus Brandes der taz.

Dass der militärische Betrieb beeinträchtigt wird, ist hingegen sehr unwahrscheinlich. Über 2.000 SoldatInnen und zivile Mitarbeiter sind an dem einzigen Stützpunkt der Marineflieger in Nordholz beschäftigt: auf einem 600 Hektar großen Gelände zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Unter anderem die Seefernaufklärungs-Flugzeuge vom Typ P-3C Orion sind hier stationiert. 2012 wurde auch das Marinefliegergeschwader 5 von Kiel hier her verlegt: 21 Hubschrauber vom Typ MK 41 Sea King fliegen seitdem von Nordholz aus ihre Einsätze – militärische sowie zivile Seenot-Rettungseinsätze.

Als Flughafen-Standort hat Nordholz Tradtition:

1913 wurdehier ein Luftschiffhafen für Zeppeline gegründet und nach dem Ersten Weltkrieg zerstört.

1935 betriebendie Deutschen hier wieder einen Flughafen, bis die US-Airforce 1945 übernahm.

1946 wurdendie Anlagen gesprengt. Das Gelände wurde teilweise für Krankenhäuser, später landwirtschaftlich genutzt.

Seit 1963ist der Flughafen im Dienst der Marine.

Um diese Hubschrauber ging es nun auch vor dem Oberverwaltungsgericht: Eine Anwohnerin ist Mitglied der Bürgerinitiative BINS Nordholz/Spieka, die sich seit Jahren gegen Fluglärm engagiert. Sie hatte dagegen geklagt, dass die Wehrbereichsverwaltung Nord meinte, für die Verlegung des Marinefliegergeschwaders 5 sei keine Umweltverträglichkeits-Prüfung nötig. Das sah das Verwaltungsgericht Stade bereits 2014 anders. Das Luftfahrtamt der Bundeswehr war in Berufung gegangen und verlor nun vor dem Lüneburger Gericht.

Rolf Lappenbusch, der Anwalt der Klägerin, sagte, der Fall sei „kurios“. Jahrzehntelang hätte es Behörden einfach nicht interessiert, ob der Flughafen eine Genehmigung habe. Dass die Marineflieger ihren Betrieb einstellen müssen, glaubt auch der Anwalt nicht – „Landesverteidigung schlägt immer alles“.

Rechtskräftig würde das Urteil am 11. Juni, sofern das Luftfahrtamt der Bundeswehr keine Beschwerde gegen die Nicht-Zulassung der Revision einlegt. Dann müsse das ganze Verfahren um die Verlegung der Marine-Hubschrauber „völlig auf Anfang gedreht werden“, sagt Anwalt Lappenbusch, und die Umweltverträglichkeit neu geprüft werden.