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der rote faden Tricksereien und Rachsucht: Neues aus dem Silicon Valley

nächste wochesaskia hödl Foto: Stefan Boness

durch die woche mit

Meike Laaff

Frau zu dick für Facebook. Klingt wie ein plattes Beispiel aus dem Handbuch für Falschmeldungen. War aber so.

Bikinibilder

Die Geschichte: Facebook lehnte in der vergangenen Woche das Werbefoto eines Plus-Size-Modells im Bikini ab, weil es „einen Körper in einer nicht wünschenswerten Weise“ zeige. Humbug? Nein: Das können Sie genau so nachlesen – in den Werberichtlinien von Face_book. Vom Konzern wurde auf Rückfrage sogar präzisiert: Auch Nahaufnahmen von Leuten, die sich in die Cellulite kneifen, seien nicht erwünscht – so zitiert die australische Feministinnengruppe CherchezLaFemme, die das Foto posten wollte, Facebooks Antwort. Der Grund: Die Betrachtenden sollten sich nicht schlecht fühlen.

Dass CherchezLaFemme mit dem Bikinibild gerade eine Veranstaltung bewerben wollte, bei der es um positive Körperwahrnehmung geht, hatten Facebooks Werbeheinzel offenbar übersehen. Was man tags darauf korrigierte. Damit aber endgültig bestätigte: Diese Geschichte ist weder Witz noch Ente. Sie ist ein Problem.

Mal wieder entscheidet Facebook für seine Nutzer. Wie viel fremdenfeindlichen Hass sie aushalten müssen, wie wenig blanke weibliche Nippel. Und offenbar auch, wie viele Speckfalten. Kann jedes Unternehmen nicht selbst entscheiden, für wie dumm es seine Kunden verkauft, könnte man fragen – wem’s nicht passt, der kann sich ja schließlich abmelden. Nur: Facebook ist eben nicht jedes Unternehmen. Sondern eines mit weltweit 1,7 Milliarden ­Nutzern, das recht erfolgreich versucht, zum ersten Anlaufpunkt für Nachrichten zu werden.

Trending Topics

Das wiederum hält auch die „Manipulationsvorwürfe“ von US-Konservativen seit Wochen in den Nachrichten. Diese warfen Facebook vor, in den „Trending Topics“ konservative Inhalte und Personen zu unterdrücken. Ultrarechte Polemiker, die sich als unterdrückte Opfer des linksliberalen Mainstreams inszenieren – sonst haben sich meist die Medien gegen sie verschworen, jetzt eben die Silicon-Valley-Eliten. Das kommt einem dieser Tage auch aus Europa bekannt vor.

Viel ist an diesem konkreten „Trending Topics“-Vorwurf aber nicht dran. Ehemalige Facebook- Mitarbeiter sagen das, geleakte Dokumente bestätigen es, selbst dezidierte Facebook-Kritiker räu­men es ein. Trotzdem kündigte Facebook nun an, die Regeln für seine Trendinglisten zu verschärfen. Was heißt, den Konservativen recht zu geben, ohne dass sie recht hätten.

Algorithmen

Was natürlich nicht gut ist. Trotzdem muss man den US-Konservativen fast dankbar sein dafür, dass sie das Thema Beeinflussung durch Soziale Netzwerke endlich in die Schlagzeilen gehievt haben. Denn Tricksereien dabei, wie Tech-Giganten Informationen anzeigen und ausspielen, sind ein Problem. Auch ein politisches.

Facebook macht seine Nutzer immer wieder zu Laborratten. Etwa als es ungefragt testete, wie einfach es ist, seine User über in der Timeline angezeigte Posts emotional zu beeinflussen. Oder wie viele Leute man zum Wählen motivieren konnte – indem es am Wahltag Nutzern anzeigte, wie viele ihrer Freunde ihre Stimme abgegeben haben. Eine pure „Plattform für Ideen“, wie Chef Marc Zuckerberg sein Unternehmen nennt, sieht anders aus.

Philantropie

Softwaregiganten wie Facebook tun gern so, als würden sie oder ihre Algorithmen objektiv funktionieren. Was albern ist und immer alberner wird: Längst ist Facebook das Schlüsselloch, durch das viele von uns die Welt im Digitalen sehen. Der Konzern entscheidet, was er in den Vordergrund rückt und was er aus dem Blickfeld zieht. Als Intermediär hat Face­book eine enorme Macht, die eigentlich auch Verantwortung nach sich zieht. Die Facebook – wie andere große Internetkonzerne – panisch von sich weist.

Wie selbstgerecht die Großen aus dem Silicon Valley oft agieren, zeigt sich nicht nur an der mäßigen Lust vieler, in Europa Steuern zu zahlen. Sondern auch an Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel. Der gab gerade zu, dass er dem Ex-Wrestler Hulk Hogan heimlich Millionen zugeschossen hat, damit dieser die US-Klatschseite Gawker wegen Veröffentlichung eines Sexvideos verklagen konnte. Was Thiel wohl vor allem tat, weil er mit Gawker noch eine Rechnung offen hatte , outete die Seite ihn doch 2007 als schwul. Also ein persönlicher Rachefeldzug? Nö, sagte Thiel der New York Times und deutete die Prozessfinanzierung lieber um zu „einer der größten philantrophischen Dinge, die ich jemals getan habe“.

Wer je Fragen zu Turbokapitalismus, Medienbild und vergifteter Philantropie im Silicon Valley haben mochte: In dieser Story findet er jede Menge Antworten!

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