: MUSIK
MusikThomas Mauchhört auf den Sound der Stadt
Also gut, der Warnhinweis: Diese Kolumne ist in ihrer Ausrichtung mal streng sentimental nostalgisch gestimmt – oder, weil das vielleicht ein bisserl besser klingt: stemmt sich gegen schnöde Geschichtsvergessenheit – und kann Beimengungen der sechziger Jahre enthalten.
Ehrlicherweise muss man sagen: von derlei Beimengungen enthält sie eine ganze Menge.
Was auch an der Beatorganization liegt, dem Berliner Musikantentrupp, der für seine Musikarchäologie die Sechziger immer neu sichtet und überhaupt den Rhythm & Blues als eine Glaubensrichtung betrachtet, der man sich auch heute noch mit einem spirituellen Grundvertrauen zuwenden kann und eigentlich auch sollte. Am Samstag schaut sich die Beatorganization im Bassy in einem Special mal im Vorderen bis Hinteren Orient um und stellt mit Sitar, Saz und Oud nach, wie sich dort die Gitarrenkraft der Beatmusik bemerkbar machte in den Sechzigern: ein mit entsprechenden DJs abgerundeter orientalischer Tanzabend (Schönhauser Allee 176a, 22 Uhr).
Die geschichtsbewusst modernistische Alternative: das Schweizer Keyboard-Schlagzeug-Duo mit dem Seltsamnamen Klaus Johann Grobe, das am Samstag in der Berghain-Kantine sein neues Album „Spagat der Liebe“ präsentiert. Noch mal etwas entschiedener wird hier Kraftwerk in Richtung Disco bewegt, hin zu einer pulsierend funky Glitzerkugelmusik mit Schlagerappeal, wie sie hier in Berlin zum Beispiel ein Freddy Fischer macht (Am Wriezener Bahnhof, 21 Uhr, 13 €).
Am Sonntag kann man im Rahmen des Crescendo-Festivals – dem musikalischen Schaufenster von Studierenden und Lehrenden der UdK Berlin – unter dem Stichwort Living Electronics von der Auseinandersetzung der Neuen Musik mit den elektronischen Möglichkeiten hören, unter anderem präsentieren die Musiker des Ensembles Ilinx im Konzertsaal der UdK Steve Reichs schön aus dem Tritt geratende und dabei nie stolpernde Minimal-Music-Etüde „Violin Phase“ für Violine und Tonband (1967) und von Luigi Nono das still nachlauschende „Post-Prae-Ludium per Donau“ (1987) für Tuba und Live-Elektronik. Vorbereitend dazu gibt es ab 18 Uhr im Konzertsaalfoyer mit „EIectro retro“ Installationen, Performances und Kompositionen mit historischen elektronischen Instrumenten (Hardenbergstr. 33, 19.30 Uhr, 6/4 €).
Noch eine Legende, aus den Sechzigern: Os Mutantes mischten Beat mit brasilianischem Tropicalismo der Bossa-Schulung und schickten das in die psychedelische Echokammer für eine bunte Blumenkindermusik. Vor einem Jahrzehnt ist die Band aus São Paulo wieder aufgetaucht, am Mittwoch spielt sie im Marie Antoinette (Holzmarktstr. 15–18, 21 Uhr, 22 €).
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