Portrait
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Was kann man da noch erwarten? Jens Kerstan hinter Plakat Foto: dpa

Clown mit grünem Daumen

Wer regiert noch mal Hamburg? Daran, dass es doch nicht nur Bürgermeister Olaf Scholz und seine Sozis sind, hat uns freundlicherweise vergangene Woche der grüne Umweltsenator Jens Kerstan erinnert. Als dem fotografisch verbrieften Hobbygärtner und Müllaufsammler auffiel, dass der Senat vor lauter Wohnungsbauprogramm ganz vergessen hat, dass Grünflächen auch wichtig sind, zog dieser mal kurz die Notbremse.

Am Montag präsentierte er Kerstan dann die Lösung: Mit dem „Natur-Cent“ soll das erste medial dokumentierte Koalitionskriegsbeil vergraben werden. Dahinter verbirgt sich ein ökologischer Ausgleichsfonds für Neubauten auf Grünflächen, aus dem Naturschutzmaßnahmen und die Pflege von Grün- und Erholungsanlagen finanziert werden sollen. Kerstan erklärte, mit dieser Abgabe würde neuer Wohnraum ermöglicht und zugleich Hamburgs grüne Identität erhalten. Wohlgesonnene Realo-Ökos halten das für einen vernünftigen Kompromiss, andere für reformgrünen Schnulli-Quatsch. Selbst der BUND ist davon nicht begeistert, weil die Grünflächen dennoch verschwinden.

Hat sich Kerstan etwa schon wieder von der SPD über den Tisch ziehen lassen? Und: Was kann man eigentlich von einem Mann erwarten, der sich im Wahlkampf hinter seinem eigenen Plakat versteckt? Seine öffentliche Performance legt gewisse Defizite nahe.

Ob auf der Pferdekutsche nach Neuwerk oder bei Presseterminen, Kerstan sitzt in der sprichwörtlich zweiten Reihe hinter Olaf Scholz. Während der Bürgermeister das Ruder in der Hand hat und zeigt, wo es lang geht, greift Kerstan, seit 2002 Mitglied der Bürgerschaft und seit 2008 Fraktionsvorsitzender, mit Vorliebe zu Schaufel, Besen oder Müllgreifzange.

Dieser 50-jährige Mann, bis 2008 stellvertretender Landesvorsitzender der Grünen und seit April 2015 Senator für Umwelt und Energie, sammelt sogar mit Schulkindern in der Hochhaussiedlung Kirchdorf-Süd Müll auf. Kerstan, diese Botschaft übermitteln zahlreiche Bilder, ist sich wohl für nichts zu schade – für eine saubere Stadt packt er richtig mit an. Wenn er das bloß auch beim Regieren täte. LKA

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8