Rebellion mit der Rubab

Paschto Pop Das Duo Ismail und Junaid stammt aus Pakistans Krisenregion Peschawar. Über das Internet haben sie sich mit ihren Songs eine weltweite Fangemeinde erspielt

Zeigen ein anderes Bild ihrer Unruheprovinz: Ismail Khan und sein Freund Junaid Javed Foto: Screenshot

von Emran Feroz

Wenn Ismail Khan singt, erklingen im Hintergrund nicht nur die klassisch gezupften Töne der Rubab – jenes Saiteninstruments, welches hauptsächlich in Afghanistan verbreitet ist –, sondern auch flotte Gitarrenakkorde und rhythmische Beats. Khan uns sein Freund und Bandpartner Junaid Javed verbinden die musikalische Tradition der Paschtunen mit modernen Klängen.

Mittlerweile hat sich das Duo Ismail & Junaid auch außerhalb von Peschawar, wo die beiden leben, einen Namen gemacht. Ihre Musikvideos, die vor allem mit Eindrücken aus ihrer Heimat inszeniert sind, werden weltweit Hunderttausende Mal aufgerufen. Dank Videoplattformen wie Youtube lauschen ihnen nicht nur Jugendliche in Pakistan, sondern auch in Indonesien, den USA oder Deutschland.

Ismail Khan sieht sich selbst aber nicht in erster Linie als Unterhalter. Stattdessen treiben ihn die Geschichte sowie die politischen Ereignisse in seiner Heimat um. Peschawar sowie die Provinz Khyber Pakhtunkhwa sind das traditionelle Siedlungsgebiet der Paschtunen in Pakistan. Die Region bietet aber auch vielen Flüchtlingen aus Afghanistan eine Zuflucht. Die berühmt-berüchtigten Stammesgebiete des Grenzgebiets, dem die Taliban entstammen, geraten heute hauptsächlich durch Drohnenangriffe der USA in die Schlagzeilen westlicher Medien.

Tatsächlich gilt die Region jedoch schon seit der Kolonialzeit als Unruheherd. Im Jahr 1893 zogen die Kolonialmächte eine willkürliche Linie durch die traditionellen Stammesgebiete der Paschtunen, welche Britisch-Indien vom damaligen Emirat Afghanistan trennte.

Anfangs mussten sich die Paschtunen in Pakistan der britischen Krone unterwerfen, später der Republik Pakistan. Unter den Bevölkerungsgruppen, die das ethnische Mosaik Afghanistans ausmachen, stellen sie bis heute mit 12 Millionen die größte Minderheit (circa 40 Prozent der Gesamtbevölkerung). In Pakistan dagegen sind sie tatsächlich eine Minderheit, obwohl dort – rein zahlenmäßig betrachtet – mit 23 Millionen weltweit die meisten Paschtunen leben.

Leid und Krieg haben auch die junge Generation Ismails und Junaids geprägt. „Als ich den Krieg sah, der über unser Volk hereinbrach, stellte ich mir Fragen. Weshalb lief alles falsch? Warum widerfährt dieses Leid ausgerechnet diesen friedliebenden Menschen in dieser Region? Die Antwort war für mich klar: Es fehlte ihnen an grundlegendem Bewusstsein und an Alternativen. In meinen Augen war Musik die beste Waffe, um zurückzuschlagen“, sagt Khan.

Ismail Khan legt viel Wert auf Individualität und Originalität. Die beiden Musiker singen auf Paschto, der Sprache der Paschtunen, die neben dem persischen Dari in Afghanistan als Amtssprache gilt, und Khan stützt sich für seine Lieder auf Texte von berühmten paschtunischen Poeten. Da ist auch Trotz im Spiel. Denn die Film- und Musikindustrie in seiner Region ist seit den 1950er Jahren stark kommerzialisiert. Die Pflege der paschtunischen Tradition und Kultur, die seit Jahrhunderten reich an Poesie und Musik ist, spielte dabei keine große Rolle. Meist stehen geistlose Geschichten, die nicht selten an billige Bollywoodkopien erinnern, und Sex im Vordergrund. Khan hält das für reinste Gehirnwäsche.

Ismail Khan hat in London Internationales Marketing studiert, im vergangenen Jahr kehrte er nach Peschawar zurück. „Natürlich hatte ich die Chance, auch weiterhin dort oder irgendwo anders im Ausland zu leben. Aber ich habe mich anders entschieden“, meint Khan. „Ich wollte nicht mit meiner Heimat und meinem Volk brechen. Sie haben mir so viel gegeben“.

In Pakistan hat er sein eigenes Musikstudio aufgebaut, ein Ein-Mann-Betrieb, und nimmt dort als Produzent die Songs von anderen Musikern auf. Seine eigene Musik ist weniger kommerziell ausgelegt, und mit seinen Liedern verdient er bislang kaum Geld. Das steht für ihn auch nicht im Vordergrund: „Ich will mein Volk und deren Kultur unterstützen und den Frieden fördern“, sagt er. Konzerte hat er bisher nur innerhalb Pakistans sowie in London gegeben.

Er und sein Partner Junaid freuen sich, dass sie sich mit ihrer Musik in der Region durchsetzen konnten. In ihren Musikvideos treten keine bauchtanzenden Frauen mit üppigen Kurven auf, wie das bei anderen Popstars in Pakistan der Fall ist, statt dessen sieht man einfache Menschen und Kinder aus den Stammesgebieten. Es sind Szenen, die den Alltag dort zeigen – in einem Teil dieser Welt, dem medial meistens nur durch negative Berichte Beachtung geschenkt wird.