Ein Härtetest für beide Seiten

Frankreich Straßenblockaden von Lkw-Fahrern läuten Protestwoche gegen Arbeitsmarktreform ein

Blockade in Fos-sur-Mer Foto: ap

AUS PARIS Rudolf Balmer

Die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer des Lastverkehrs haben in der Nacht zum Dienstag begonnen, mit ihren schweren Brummern in Lil­le, Bordeaux, Nantes und Caen Zufahrten zu zahlreichen Treibstoffdepots zu blockieren. Und das soll erst der Anfang einer Reihe von Aktionen gegen die Arbeitsmarktreform sein. „Die Lkw-Fahrer eröffnen den Ball“, meint sarkastisch die Tageszeitung Le Figaro. Denn ab Mittwoch streiken auch die Beschäftigten der Bahn, der Pariser Bus- und Metrobetriebe, die Docker und Seeleute besetzen die Hafenanlagen, die staatlichen Angestellten öffentlicher Dienste werden sich dem Ausstand anschließen. Auch der Flugverkehr von und nach Frankreich wird wegen Aktionen der Fluglotsen behindert. Alle diese Streiks könnten zudem den Gewerkschaften zufolge verlängert werden.

Für die sieben beteiligten Gewerkschaftsverbände, und vor allem für den Dachverband CGT, geht es nicht nur um die Rücknahme einer „Liberalisierung“ des Arbeitsrechts. Es geht auch um ihren Einfluss. In Frankreichs Privatunternehmen sind nur gerade 8 Prozent organisiert. Und das neue Arbeitsrecht hebelt die größten Verbände wie die CGT bei Verhandlungen auf Un­ter­neh­mens­ebene weitgehend aus, weil die Direktion sich neu über die Branchenverträge hinwegsetzen und lokale Personalabstimmungen organisieren kann.

Um einen Härtetest geht es auf der Gegenseite aber auch für Staatspräsident François Hollande. Er sagte am Dienstag dem Rundfunksender Europe-1, ein Nachgeben komme für ihn nicht infrage. Zu oft hätten Regierungen gezögert oder kapituliert. Das sei die Ursache für die desolate Lage Frankreichs, als er 2012 die Staatsführung übernommen habe, und er versicherte: „Ich ziehe es vor, als Präsident, der unpopuläre Reformen durchgesetzt hat, in die Geschichte einzugehen, und nicht als Präsident, der nachgegeben hat.“ Die Arbeitsmarktreform sei ein akzeptabler Kompromiss. „Demonstrieren ist ein Recht, Randalieren ist ein Delikt“, rechtfertigte er das Demonstrationsverbot, das aus Gründen der öffentlichen Sicherheit von Innenminister Bernard Cazeneuve gegen einzelne Autonome verhängt worden ist.

„Auch wir werden hart bleiben“, sagte in Caen ein Mitglied der Lehrergewerkschaft, der sich mit Kollegen an einer der zahlreichen Kundgebungen beteiligte. Mit Studenten und Schülerorganisationen, den Parteien der radikalen Linken und der Bewegung Nuit debout glauben die Gewerkschaften genug Kräfte für eine Eskalation zu haben. Am Donnerstag soll es neue Kundgebungen geben. Notstandsgesetze hin oder her.

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