Waffen für ein gespaltenes Land

LIBYEN Eine internationale Konferenz in Wien beschließt die Lockerung des Embargos. Damit soll der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ intensiviert werden

Gegner der islamistischen Schura bei Kämpfen in Bengasi im Osten Libyens Foto: reuters

Von Mirco Keilberth

TUNIS taz | Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sind bereit, das Waffenembargo gegen die libysche Einheitsregierung zu lockern. Das erklärten dessen fünf ständige Mitglieder sowie die Vertreter 15 weiterer Staaten in einem Kommuniqué am Montag auf einer Libyen-Konferenz in Wien.

Zuvor hatte der künftige libysche Regierungschef Fajes al-Sarradsch um Hilfe im Kampf gegen den expandieren „Islamischen Staat“ (IS) gebeten. Sarradsch sitzt auf der Marinebasis Abu Sitta im Hafen von Tripolis fest und soll künftig mit westlichen Waffen gegen die Dschihadisten vorgehen.

Doch mangels eigener Truppen werden es die schlagkräftigen Brigaden aus der Handelsstadt Misrata sein, die nach Sirte marschieren, wo sich bis zu 6.000 Extremisten aus Nordafrika verschanzt haben. Kommandeure aus Misrata bestätigten gegenüber der taz, dass an der Front bei Abu Ghraib bereits britische Erkundungskommandos hinter der Frontlinie stationiert sind.

Mit den Waffen könnte jedoch auch eine weitere Bürgerkriegsrunde entfacht werden, da sich der politische Konflikt zwischen Ost- und Westlibyen weiter zuspitzt. Während im Westen des Landes zahlreiche Stadtmilizen mit islamistischer Ausrichtung den Ton angeben, gewinnt die von allen wichtigen Stämmen im Osten unterstützte Armee an Boden. Die Stadt Sirte liegt zwischen beiden Kontrahenten.

Das Parlament in Ostlibyen wird wohl auf absehbare Zeit nicht, wie laut UN-Plan vorgesehen, über die Regierung von Sarradsch abstimmen. Dessen Abgeordnete sind über die Unterstützung aus Misrata für die neue Einheitsregierung verärgert. Islamisten aus der Hafenstadt schicken seit zwei Jahren regelmäßig Waffen an die ­Extremisten-Allianz, die in Bengasi im Osten des Landes gegen die Armee von General Chalifa Haftar kämpft.

Die sogenannte Schura, auf Deutsch Rat, besteht aus Kämpfern des IS und von Ansar al-Scharia und hat nach dem Rückzug aus großen Teilen von Bengasi nun die Verkehrsknotenpunkte Südlibyens im Visier. Dass jetzt ausgerechnet die Milizen, die den IS in Bengasi unterstützen, Waffen im Kampf gegen die Extremisten in Gaddafis ehemaliger Hochburg Sirte erhalten, wundert viele Beobachter. Kritiker der Sarradsch-Regierung sehen die Gefahr, dass die Islamisten, mit denen sie lose verbündet ist, versuchen könnten, den politischen Konflikt mit militärischer Gewalt für sich zu entscheiden.

Ziel der Konferenz war auch, die ­Einheitsregierung zu stärken

Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sehen in der Regierung der Nationalen Einheit die einzige legitime Autorität. Die Kontrolle über die Zentralbank, die 90 Prozent der Gehälter in Libyen auszahlt, hat sie schon übernommen.

Das Ziel der Konferenz am Montag war es, die Einheitsregierung im Kampf gegen den IS zu stärken. Die Miliz weitete in den vergangenen Monaten ihre Präsenz rund um die ölreiche Region der Stadt Sirte aus und ist bereits seit Längerem auch an dem einträglichen Menschenschmuggel beteiligt. Unter den ankommenden Migranten in der Wüstenoase Sebha wird um Kämpfer geworben. Vor diesem Hintergrund stellten die Teilnehmer der Konferenz in Wien auch Gelder für die Entwicklung des Südens in Aussicht.

Unterdessen nahmen Einheiten von Chalifa Haftars Armee im Osten die Straßenverbindungen südlich von Sirte ein, während Einheiten aus Misrata aus dem Westen auf starken Widerstand des IS stoßen. Dem Gewinner in dem Rennen um Sirte winken Munition und Waffen aus Europa.