: Leichen, Gauner, Sensationen
Schwarz-Weiß-Trash Die 2. Hamburger Stummfilmtage zeigen Kriminal- und Detektivfilme der 1910er- und 20er-Jahre
Wenn heute im deutschen Fernsehen die Hälfte des Programms aus Krimis zu bestehen scheint, ist das nichts Neues. Kriminal- und Detektivgeschichten waren schon zu Stummfilmzeiten so beliebt wie kein anderes Genre. In den Kriegszeiten zwischen 1914 und 1918 handelte in Deutschland jeder zweite produzierte Spielfilm vom Verbrechen und seiner Aufklärung. Die meisten waren mittelmäßig und das Bildungsbürgertum rümpfte über sie die Nase. Sie wurden in Serie produziert und konsumiert – die meisten sind verschollen und vergessen.
Auf den 2. Hamburger Stummfilmtagen, die von Freitag an neun Tage lang im Metropolis-Kino stattfinden, werden 18 von diesen Kriminalfilmen aus den 1910er- und 20er-Jahren gezeigt. Alle werden live im Kino begleitet. Am Eröffnungsabend läuft der Film „Der Mann mit dem Laubfrosch“ mit Heinrich George in der Hauptrolle. Dazu spielt das Jazztrio Joachim Kamps (Piano), Dirk Dhonau (Schlagzeug) und Hans-Christoph Hartmann (Saxophon).
Diese Filme hatten Helden mit markigen, betont unteutonischen Namen wie Harry Hill, Joe Debbs oder Stuart Webbs, Protagonist einer von Joe May produzierten Serie, für die Fritz Lang erste Drehbücher schrieb. Mit „Der Mann im Keller“ (1914), „Der gestreifte Domino“, „Die Toten erwachen“ (beide 1915) und „Das Panzergewölbe“ (1926) sind vier davon zu sehen.
Doch der Star der Filmserien war damals Harry Piel. Als Drehbuchschreiber, Produzent und Regisseur war er ein Autorenfilmer reinsten Wassers, häufig spielte er auch noch den Helden. Piel war bekannt dafür, sich spektakuläre Bilder möglichst billig zu beschaffen und wurde der „Dynamit-Regisseur“ genannt, weil bei Sprengungen immer seine Kamera lief und er die Filme dann so umschrieb, dass diese Aufnahmen gut hineinpassten. Pro Jahr drehte er fünf bis acht Filme, von denen zwei in Hamburg laufen. In „Das Abenteuer eines Journalisten“ war die Attraktion die damals neue und hochmoderne Wuppertaler Schwebebahn.
Auch in der Sowjetunion waren Kriminalgeschichten sehr beliebt. Ein Beleg dafür ist „Der Diplomatenkoffer“ von Alexandr Dovzhenko aus dem Jahr 1927. Hier waren die Schurken natürlich Büttel des kapitalistischen Systems: Britische Geheimagenten töten einen russischen Kurier, um an geheime Depeschen zu kommen, die dieser von London nach Leningrad bringen soll. Schließlich beschützt die proletarische Besatzung eines russischen Schiffes die Dokumente unter Lebensgefahr vor den Klassenfeinden.
Am Ende der Stummfilmtage gibt es dann doch noch aus diesem Genre erwachsene Filmkunst: Gezeigt werden Fritz Langs „Spione“ und beide Teile seines „Dr. Mabuse“.Wilfried Hippen
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