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Minister und Bildungsexperten streiten über Ganztagsstudie

Ganztagsschulen Bei Lernzeiten und Personal klaffen zwischen den Bundesländern große Unterschiede. Von seinen Zielen ist das Konzept weit entfernt

BERLIN taz | Der Name führt auf die falsche Fährte. An Ganztagsschulen verbringen SchülerInnen weniger Zeit als angenommen. Wer etwa ein Ganztagsgymnasium in Sachsen besucht, ist dort kaum länger als seine sogenannten ­Halbtagskollegen, nämlich gerade einmal 3,6 Zeitstunden zusätzlich. Auch in Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt verbringen Ganztagsschüler am Gymnasium nicht wesentlich mehr Zeit als in anderen Schulen.

Für die Studie, die die Bertelsmann-Stiftung vergangene Woche vorgestellt hat, haben der Essener Bildungsökonom Klaus Klemm und der Bertelsmann-Experte Dirk Zorn Land für Land geschaut, wie viele Stunden und wie viel Personal in das allseits gelobte und gewollte Ganztagskonzept fließt. In Kürze ist das Ergebnis vor allem föderalismustypisch: Die Unterschiede sind immens – bei der Lernzeit, aber auch bei dem investierten Geld und damit beim Personal.

Berlin zum Beispiel, das mit 16,2 Stunden zusätzlicher Lernzeit in der Grundschule recht weit vorn liegt, hat zwar viele Mitarbeiter eingestellt, allerdings überwiegend Erzieherinnen, während andere Länder mehr und teurere Lehrer beschäftigen. Das kleine Bremen, das schon bei der Lernzeit gut abschneidet, hat es laut den Zahlen sogar geschafft, 14 zusätzliche Stunden fast ohne Extrapersonal zu stemmen. Genauer: ohne Personal aus Landesmitteln. Stellen, die die Kommunen bezahlen, haben die Bertelsmann-Autoren nicht gezählt. Bremens Kultusminister Claudia Bogedan (SPD) wirft den Autoren deswegen „Recherchefehler“ vor.

Der Bildungsökonom Klaus Klemm, der auch jedes Jahr erhebt, wie weit die Bundesrepublik noch von 2008 in Dresden verabschiedeten Bildungszielen – wie der Halbierung der Schulabbrecherzahlen – entfernt ist, kritisiert wiederum die Kultusminister: „Nehmen Sie Ihr Konzept ernster, sonst verfehlt es seine Wirkung!“ Tatsächlich richten sich die Hoffnungen der Ganztagsschulen nicht nur auf die Betreuung: Das Modell soll Bildungserfolg auch für Kinder aus schwächeren Schichten ermöglichen. Belegbar ist das auch 13 Jahre nach der 4-Milliarden-Euro-Spritze, die die ehemalige Bildungsministerin Edelgard Bul­mahn (SPD) dem Ganztagskonzept verpasste, nicht. Auch nicht seitens der von der Bundesregierung finanzierten Begleitforschung. „Alles, was wir haben, sind vorsichtige Hinweise, dass Ganztag dem sozialen Lernen zuträglich ist“, resümiert Klemm. Dabei hilft, wenn die Ganztagsschulen „gebunden“ sind: Das sind, im Unterschied zu „offenen“ Angeboten, jene, in denen sich Unterricht und andere Angebote bis in den Nachmittag „rhythmisiert“ abwechseln und in der alle Schüler sich festlegen, von Anfang bis Ende des Schultages anwesend zu sein. Die Bertelsmann-Forscher haben in ihrer Studie nur die gebundenen Ganztagsschulen untersucht. Bundesweit sind sie in der Minderheit – ein klares Indiz für die Vorlieben der Eltern.

Auch unter Ganztagsbefürwortern wollen lediglich vier von zehn ein dauerhaft rhythmisiertes Konzept. Die Mehrheit wünscht sich die Freiheit zu entscheiden, ob sie ihr Kind auch nachmittags in der Schule lassen. Das Modell werde immer noch stark unter dem Aufsichtsaspekt betrachtet, bedauert Klemm. Jeannette Goddar

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