Spiel ohne Risiko

EISHOCKEY Bei der Weltmeisterschaft in Russland hat das deutsche Team unter Führung des neuen Bundestrainers Marco Sturm eine Nichtabstiegsgarantie. Wie weit kann die Mannschaft kommen?

„Ich will, dass die Jungs sich gut präsentieren. Wir wollen vom 13. Platz in der Weltrangliste weg"

Coach Sturm

Marco Sturm, 37, hätte es schlechter treffen können. Seine erste WM als Eishockey-Bundestrainer kann der frühere NHL-Profi entspannt angehen. Ein Abstieg in die B-Gruppe ist bei dem Turnier in Russland, das heute beginnt, nicht möglich. Das deutsche Team ist als Gastgeber der WM 2017 in Köln und Paris genauso gesetzt wie Frankreich, das am Samstag (15.15 Uhr, Sport 1) in St. Petersburg erster Gegner der DEB-Auswahl ist. Erfreulich für Sturm ist auch dies: Anders als sein Vorgänger Pat Cortina musste er sich nicht über Absagen von erfahrenen Spielern ärgern. Er bekam viele Zusagen, zum Beispiel von Verteidiger Christian Ehrhoff, der nach dem Playoff-Aus der Chicago Blackhawks in der National Hockey League (NHL) zu Sturms WM-Team gehört.

„Ich ziehe meinen Hut vor Christian“, sagt Sturm, der einst mit Ehrhoff in San José spielte. „Er will immer spielen, dabei hat er harte Jahre in der NHL hinter sich.“ Zuletzt in Chicago war Ehrhoff, der mit Vancouver 2011 im Stanley-Cup-Finale stand, meist nur Zuschauer. Mit guten WM-Spielen will sich der 33-Jährige für einen neuen Vertrag in der besten Eishockeyliga der Welt empfehlen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass er nach 862 NHL-Einsätzen nach Europa zurückkehrt.

Ein anderer deutscher Profi blickt dagegen auf ein schönes Jahr in der NHL zurück. Leon Draisaitl, 20, spielte eine starke Saison bei den Edmonton Oilers, in der er auf 51 Scorerpunkte kam. In der Nationalmannschaft bildet er zusammen mit Tobias Rieder, 23, vom NHL-Klub Arizona Coyotes und dem besten DEL-Stürmer Patrick Reimer die erste Angriffsreihe.

Begeistert spricht Sturm von Draisaitls Fähigkeiten, vor allem von der Ruhe auf dem Eis, die er trotz seiner Jugend schon ausstrahle. Den Trubel um das mutmaßliche Wunderkind, in Kanada einmal als der „German Gretzky“ tituliert, findet Sturm gefährlich. „Leon kann wirklich alles erreichen. Aber man muss die Kirche auch im Dorf lassen“, sagt Sturm. „Er hat noch einiges vor sich. Es ist bei ihm nur der Anfang. Es kann auch schnell mal nach hinten losgehen.“

Sturm weiß, wovon er spricht. Er kennt die Leistungsgesellschaft NHL aus 1.006 Partien, die er zwischen 1998 und 2012 bestritt. Als Trainer ist er aber noch ein Rookie, ein Neuling. Als Sturm das Amt im Juli 2015 antrat, hatte er vorher nur ein wenig im Jugendbereich gearbeitet. Umso glücklicher macht es ihn, dass ihm bei der WM ein guter Mann zur Seite steht: Der Kanadier Geoff Ward, 54, war 2015 mit Mannheim deutscher Meister, seit letztem Sommer gehört er zum Coachingteam der New Jersey Devils in der NHL. Sturm kennt Ward aus gemeinsamen Jahren bei den Boston Bruins. „Geoff war für das Powerplay zuständig, und ich habe viel gelernt von ihm“, berichtet Sturm. „Er ist enorm wichtig, nicht nur für mich, auch für die Mannschaft. Er sieht teilweise Dinge anders als ich. Ich denke noch ein bisschen mehr wie ein Spieler, er wie ein erfahrener Coach. Am Ende kommen wir immer zusammen“, sagt Sturm.

Bei der WM in Russland sind Finnland, die Slowakei, Weißrussland, die USA, Kanada und Ungarn die weiteren deutschen Gruppengegner. Sturms Ziel: „Ich will einfach, dass die Jungs sich gut präsentieren. Wir wollen vom 13. Platz in der Weltrangliste weg, und dazu brauchen wir Punkte und Siege.“ Nach dem WM-Testlauf ohne Abstiegsrisiko wird es für den Bundestrainer zum ersten Mal Anfang September ernst. Dann steht in Riga die Olympiaqualifikation für die Winterspiele 2018 an. Erfreulich für Sturm: Leon Draisaitl sagte unlängst, er wolle wieder unbedingt dabei sein. Christiane Mitatselis