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zwischen den rillenRitter von der Übellaunigkeit

Troy von Balthazar: „Knights of Some­thing“ (Siluh/Cargo)

Berlin ist manchmal deprimierend. Zwar mag das in der grauen Jahreszeit auf alle Städte zutreffen, für die Hauptstadt gilt es jedoch besonders – zumindest, wenn man dem neuen Album des Troy von Balthazar glauben darf. Für den auf Hawaii geborenen Sänger ist Berlin neben Los Angeles seit längerem Wahlheimat. In Berlin ist in den vergangenen Monaten auch ein Großteil seines neuen Soloalbums „Knights of Something“ entstanden – ein Manifest der Übellaunigkeit.

Die dreizehn Songs sind Lo-Fi-Pop im ureigenen Sinn, aufgenommen mithilfe eines Tascam-Vierspurrekorders, Vintage-Mikrofonen und einer Reihe Gitarrenpedale in seiner kleinen Wohnung. Die Wände müssen hellhörig gewesen sein, denn von Balthazar bedankt sich im Album-Booklet vorsichtshalber bei seinen Nachbarn, weil sie sich nicht beschwert hätten, während er die Vocals gesungen hat.

Wobei „singen“ die Laute aus von Balthazars Mund nur unzureichend umschreibt. Vielmehr haucht er sich durch seine Songs. Manchmal scheint seine Stimme fast geisterhaft wie von außerhalb in die Welt einzudringen. Die unaufdringliche, zuweilen minimalistische Musik bietet ihr den perfekten Rahmen. Selten einmal bricht ein Instrument aus, hat der Klangmantel ein Loch.

Melancholie ist die Grundstimmung in Troy von Balthazars Projekten. Seit den Neunzigern ist er Frontmann und Sänger der Indierockband Choke­bore. Kraftvollen Noise­rock und den Mut zu Experimenten verbinden die Hawaiianer mit düsteren Texten. Findige Journalisten haben ihren Sound mit Sadcore umschrieben. Anderthalb Jahrzehnte, eine Bandpause und vier Soloalben später klingt Troy von Balthazar eher nach „sad to the core“ – traurig bis ins Mark.

Bereits seine früheren Soloalben entsprangen der Kategorie „Popperlen für Regentage“. Der Einsatz von Verzerrern und elektronischen Effekten lässt die Songs auf „Knights of Some­thing“ noch ein gutes Stück zerbrechlicher klingen. Hook­lines verstecken sich in der zweiten Reihe. Vor allem knarzt, klackert, quietscht und surrt es, bis man von Balthazar förmlich in seiner Wohnung tüfteln sehen kann.

Melancholie ist seine Konstante: Troy von Balthazars neues Werk ist sogar traurig bis ins Mark

Dazu kommt eine Poesie, die vor Negation, Morbidität und der Lust am Scheitern nur so strotzt. Das „Ich“ in von Balthazars Texten, seine „Ritter von Etwas“, haben ihren Kampf nicht selbst gewählt. Widrige Umstände haben sie hineingezogen. Auch der Gegenstand ihres Konflikts ist keiner, für den es sich zu kämpfen lohnt. „I live in a world to which I mostly not relate / Welcome to the empire of my hate“, singt er etwa im gleichnamigen „Empire of my Hate“ oder „I don’t care about people / I keep to myself now“ in „Touch is meat“. Selbst „Astrid“, das einzige Liebeslied des Albums, zieht letztlich Einsamkeit dem romantischen Glück vor: „Yes, every note is for Astrid / Every song I ever did / I would like my heart back.“

Es gibt nur wenige Künstler, die ihre Trauer so vor sich hertragen können, ohne dass es anstrengend wird. Nick Drake war so einer, doch der ist lange tot. Troy von Balthazar balanciert auf diesem schmalen Grat – und tappt manchmal daneben. In jedem Fall fordern seine Songs die aktive Auseinandersetzung der HörerInnen ein. Seine Poesie, die in kein Strophe-Refrain-Muster passt, hat das jedoch auch verdient.

„Traurigkeit ist das Los der tiefen Seelen und der starken Intelligenzen“, soll der Schweizer Theologe und Literaturhistoriker Alexandre Vinet (1797–1847) gesagt haben. Nimmt man „Knights of Something“ zum Maßstab, muss Troy von Balthazars Seele die Ausmaße des Marianengrabens annehmen. Wer gute Laune für ein überschätztes Gefühl hält, hat hiermit sein neues Lieblingsalbum gefunden. Ronny Müller

Live: 15. Mai, Oettinger Villa, Darmstadt, 16. Mai, Slow Club, Freiburg, 17. Mai, Kassette, ­Düsseldorf, wird fortgesetzt

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