Brauner als alle anderen

AufarbeitenIn Schleswig-Holstein waren laut einerStudie extrem viele Ex-Nazis in der Politik aktiv

„Wie selbstverständlich die alten Nazis auftreten“. Diesen Satz hat Paul Pagel 1951 in sein Tagebuch. Der CDU-Politiker war damals der einzige Minister der Landesregierung von Schleswig-Holstein ohne NS-Vergangenheit, beim Blick in die Runde stellte er gar eine „Renazifizierung“ fest.

Erstmals ist nun wissenschaftlich belegt, dass die Zahl der politischen Akteure mit brauner Vorgeschichte in Schleswig-Holstein „stark überdurchschnittlich, in diesem Ausmaß wirklich überraschend“ hoch war, so Uwe Danker, Professor an der Universität Flensburg. Am 27. April stellte er seine Studie vor, für die er im Auftrag aller im heutigen Parlament vertretenen Parteien Lebensläufe der Abgeordneten und Minister der Nachkriegs-Kabinette untersucht hatte.

Aus ihr geht hervor, dass im ersten – 1946 von den britischen Alliierten eingesetzten – Landtag zwar nur sechs Prozent Ex-NSDAP-Mitglieder und 42 Prozent NS-Verfolgte saßen.Betrachtet man aber alle Abgeordneten der Jahrgänge bis 1928, die dem Landtag von 1950 bis 1983 angehörten, waren es über 45 Prozent Ex-Nazis und nur 15 Prozent Verfolgte. Ende der 1950er waren gar fast 60 Prozent der Abgeordneten einstige Nazi-Parteigänger, und noch Anfang der 1980er-Jahre rund zwölf Prozent. Die meisten waren als Jugendliche Mitglieder der NS-Organisationen gewesen. Es gab aber auch höherrangige Funktionäre.

Schleswig-Holsteins Zahlen seien doppelt so hoch wie in Bremen und höher als in Niedersachsen, sagte Danker – unter anderem, weil die NSDAP seit 1932 in Schleswig-Holstein so stark gewesen sei. Bis heute sei die fehlende Aufarbeitung zu spüren. Eine „Renafizierung“sei aber nicht Ziel der Politiker gewesen, sagt er. Sie hätten einfach nur weiter Karriere gemacht. EST