Papa Wemba ist tot: Tränen und jede Menge Bier
Er war die berühmteste Stimme des Kongo. Unter die Trauer über den Tod der Legende mischen sich auch kämpferische Töne.
Drinnen im Innenhof klagen Schwestern und Cousinen mit lautem Schluchzen, Musikerkollegen singen seine Lieder. Sein überlebensgroßes Foto wird feierlich am Eingangstor aufgehängt, Passanten verneigen sich ehrfürchtig, bekreuzigen sich. Der 66-Jährige war eine Legende. Nicht nur in seiner Heimat Kongo, überall in Afrika wird in Clubs nach seinen Rumba-Rhythmen getanzt, selbst in Brüssel und Paris werden seine Lieder gespielt.
„Es ist ein großer Schock für uns“, seufzt Leon, der jüngere Bruder und Manager Papa Wembas. Er trägt wie sein Bruder Hut und schräge schwarze Klamotten, eine gewaltige Goldkette und spitz zulaufende Schuhe – Exzentrik war das Markenzeichen des Papa-Wemba-Lifestyles. Noch vor einer Woche war sein berühmter Bruder, der seit Jahrzehnten in Frankreich lebte, hier zu Besuch gewesen, erzählt Leon. „Es ging ihm gut.“ Nach langer Krankheit sei er in Form gewesen, tourte auf Festivals. „Es ist ein unsäglicher Verlust für uns, für den Kongo und die ganze Welt“.
Leon zeigt auf sein Handy, das er ausgeschaltet hat. „Ich habe 2.000 Anrufe erhalten“, sagt er ungläubig. Aus Belgien, Kanada, Frankreich – von überall riefen Fans an, um ihr Beileid zu bekunden und zu fordern, dass der Leichnam auch in Europa aufgebahrt werde, um dem König der Rumba eine letzte Ehre zu erweisen. „Wir bestehen jedoch darauf, dass er hier in Kinshasa beerdigt wird“, bekräftigt Leon. Papa Wemba gehöre nach Matonge, seiner Heimat, die er so sehr geprägt habe.
Der „Baobab“ ist gefällt
In Matonge wird er „Baobab“ genannt, wie die gewaltigen Bäume, die in der Mitte fast jedes Dorfs als Versammlungsort dienen. Unweit vom Geburtshaus hocken Tausende in den Gassen und trinken Bier aus großen Flaschen, einige trocknen sich die Tränen. Aus allen Bars schallen die Lieder von Papa Wembas Band „Viva La Musica“, die in diesen schummrigen Läden in den siebziger Jahren ihre ersten Auftritte hatte.
Clubs wie „Muana Kin“ wurden durch Papa Wemba weit über Kinshasa hinaus bekannt. Nun sitzen hier Dutzende von Wembas engsten Freunden und Gefährten um einen Tisch, der bis zum letzten Zentimeter mit Bierflaschen beladen ist. Norbert Tchika, sein Pressesprecher, zeigt Fotos auf seinem Handy, die er noch vor einigen Tagen in der Elfenbeinküste aufgenommen hatte. „Er war für den Kongo ein Botschafter des Friedens“, erklärt Tchika, der Papa Wemba bereits als kleiner Junge kannte. Tchikas Vater war sein erster Manager, Tchika übernahm nach dessen Tod die Rolle als Marketingstratege.
Leben: Papa Wemba ist der berühmteste Musiker der Demokratischen Republik Kongo. Er wurde am 14. Juni 1949 in Lubefu in der zentralkongolesischen Region Sankuru geboren. Ab den siebziger Jahren dominierte er die Kulturszene in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Er gilt als Vater des modernen kongolesischen Rumba und des Modephänomens „Sape“ (Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes), das exzentrische Zurschaustellen möglichst teuer aussehender Markenkleidung, dessen Anhänger sich „Sapeurs“ nennen. Zuletzt lebte er in Paris.
Tod: Papa Wemba starb am frühen Sonntagmorgen während eines Konzerts in der Elfenbeinküste im Rahmen des Musikfestivals Femua (Festival des Musiques Urbaines d‘Anoumabo). Er brach auf der Bühne zusammen, während seine Band weiterspielte. Kurz darauf war er tot. Erst vor wenigen Monaten hatte er in einem Interview gesagt, genau so wolle er sterben. (d.j.)
Als Papa Wemba in den siebziger Jahren Matonge zum Tanzen brachte, lebten die Kongolesen noch in einer friedlichen Welt. Diktator Mobutu Sese Seko hatte dem Land Nationalstolz eingehaucht, Kinshasa war Weltstadt. Hier stand eines der besten Krankenhäuser des Kontinents, ein Atommeiler, die größte Universität. Dann ging es rasant bergab: Armut zwang die Kinder zum Betteln, das Land versank in den neunziger Jahren im Krieg. Doch das war Papa Wembas goldene Stunde.
Er hat die Jugend inspiriert
„Er hat den Jugendlichen in diesem Chaos Hoffnung gegeben“, erinnert sich Tchika. „Er hat die Kinder von der Straße geholt, viele wurden Künstler, Musiker, Sänger, Maler“. Tchika deutet auf Graffiti: Es zeigt junge Männer, die auf Regentonnen trommeln und aus Schrott Skulpturen formen. „Sie alle wurden von ihm geprägt, aus ihrem Leben irgendwas zu machen.“
„Sapeurs“ nennen sich die Fans, die hier in knallbunten Klamotten umherziehen. Hüte, Goldketten, spitze Schuhe, Dolce&Gabana-Gürtel, schräge Hemden – so wie ihr Idol Papa Wemba. Selbst wer nichts im Magen hat, trägt mit Stolz seine Goldkette. „Seine Texte verleihen uns Kongolesen ein gewisses Selbstwertgefühl“, erklärt Tchika. Neben ihm steht ein Sapeur im knallroten Anzug auf, ein Albino mit weißer Haut, er wirkt betrunken. Er heiße Cricent Muyolo, erzählt er. Und unter Tränen beginnt er nun, ein Papa-Wemba-Lied zu singen, das er einst von ihm gelernt hat, wie er erzählt.
Es ist ein bewegender Tag, nicht nur weil Papa Wemba gestorben ist. Der 24. April ist der Jahrestag einer berühmten Rede von Diktator Mobutu. 1990 hatte dieser dem Volk die „Demokratisierung“ versprochen und das Mehrparteiensystem verkündet. Diesen Tag hatten sämtliche Oppositionsparteien landesweit zum Anlass genommen, Kundgebungen abzuhalten.
Es gärt in der Hauptstadt
Eigentlich sollten im November laut Verfassung Wahlen anstehen, doch die Wahlkommission schafft es nicht, das Wählerregister zu erstellen. Die Wahlen müssen auf unbestimmte Zeit verschoben werden, erklärte am Morgen wieder einmal der Justizminister im Fernsehen und zitiert die Verfassung, nach welcher dies vollkommen legitim sei. Präsident Joseph Kabila traf sich zur selben Zeit in Washington mit US-Außenminister John Kerry, um die Verschiebung zu besprechen. Kabila darf laut Verfassung nicht zu einer dritten Amtszeit antreten. Die Verschiebung der Wahl hält die Opposition für Taktik.
Unweit von Matonge haben sich daher Anhänger von fast einem Dutzend Oppositionsparteien versammelt. Sie schwenkten Fahnen. Spannung liegt in der Luft: Kongos Sicherheitsapparat ist berüchtigt dafür, Kundgebungen brutal niederzuschlagen. Im Januar 2015 starben 42 Menschen im Kugelhagel, als sie gegen eine mögliche Verfassungsänderung protestierten. Auch an diesem Sonntag warnten westliche Botschaften daher vor gewaltsamen Ausschreitungen. Die UN-Mission im Kongo ist mit Beobachtern angerückt und drückt in einer Presseerklärung „Sorge über die politischen Spannungen“ aus.
Ungeachtet dessen hat die Regierungspartei PPRD ein paar Straßen weiter eine Gegendemo angesetzt. In Kinshasa kocht die Stimmung schnell über. Polizisten haben am Morgen die Oppositionstribüne wieder abgebaut. Der Gouverneur hatte die Kundgebung untersagt. Sie solle an einen „geschlossenen Ort“ verlegt werden, um „den Sicherheitskräften zu ermöglichen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten“, heißt es in einem Brief.
„Das bisschen Demokratie“
Die Oppositionellen weigern sich jedoch, bauen kurzerhand ihre Lautsprecher auf dem Dach einer Parteizentrale auf – Grund genug für die Polizei einzuschreiten. Dennoch verläuft alles friedlich. „Heute haben unsere Anhänger die Angst besiegt“, sagt Joseph Olenghankoy, Vorsitzender der Oppositionspartei Fonus nach seiner Ansprache vor rund 5.000 Anhängern. Er sei froh, dass dieser Jahrestag der Demokratie feierlich begangen werden konnte. „Wir werden es nicht zulassen, dass das bisschen Demokratie, das uns Mobutu einst zugestanden hatte, uns von Kabila wieder genommen wird“, tönt er.
An der Wand in der Parteizentrale hängen Porträts von Afrikas Helden: Patrice Lumumba, der erste demokratisch gewählte Premierminister Kongos. Nelson Mandela, der Revolutionär Thomas Sankara aus Burkina Faso. In der Ecke steht ein Foto von Papa Wemba – eingerahmt von frischen Blumen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen