piwik no script img

Langsam wieder rantasten

UNGEWOHNT Es kann Monate dauern, bis Paare nach einer Geburt wieder Sex haben. Zuerst muss die Mutter sich erholen. Ihre Verletzungen sollten auch abgeheilt sein

VON Jana Friedrich

Zunächst lässt sich sagen: Wenn beide Partner Lust haben und es keine Geburtsverletzungen gibt, spricht nichts dagegen, sofort nach der Geburt wieder Sex zu haben. Aber das ist für die meisten Paare in der Regel vollkommen unrealistisch. Denn Geburten sind fast immer sehr anstrengend. Nicht umsonst folgt mit dem Wochenbett eine ausführliche Schonzeit.

In den meisten Kulturen besteht im Wochenbett, also circa 40 Tage lang, ein Sextabu. Teilweise erstreckt es sich sogar auf das ganze erste Jahr. Dieses Tabu ist einerseits durch hygienische Gegebenheiten begründet und soll die Mutter vor Infektionen bewahren. Andererseits stellt es einen Schutz für das Neugeborene dar. Denn wenn die Mutter sehr schnell wieder schwanger wird, hat sie unter Umständen weniger Ressourcen für das Kleinkind.

Bei uns gibt es ein solches Tabu nicht. Allerdings gelten auch hier Vorsichtsmaßnahmen, die so lange andauern, bis der Wochenfluss versiegt ist. Dieser besteht aus Blut und Sekret der Wundfläche der Gebärmutter, an der während der Schwangerschaft die Plazenta saß. Für etwa vier Wochen fließt er anfangs stark, dann abnehmend. Dabei ist der Wochenfluss zwar nicht infektiös, aber ein perfekter Nährboden für Keime. Man sollte also zumindest Kondome zur Verhütung benutzen, solange der Wochenfluss nicht versiegt ist, und möglichst auch auf Oralverkehr verzichten.

Von selbst versteht sich, dass Geburtsverletzungen, wie zum Beispiel ein Dammriss, erst abgeheilt sein sollten, bevor der erste Geschlechtsverkehr nach der Geburt wieder stattfindet. Die meisten Verletzungen sind bereits nach rund fünf Tagen zumindest oberflächlich verklebt. Bis auf wenige Ausnahmen sind sie nach zwei bis vier Wochen wieder komplett verheilt. Die verbleibenden Narben können sich noch bis zu zwei Jahre lang verändern, wobei die Haut wieder an Sensibilität gewinnt. So lange die Wunde also noch wehtut, ist der reine Geschlechtsverkehr natürlich ein No-go. Danach kann man sich schön langsam wieder rantasten.

Selbst wenn keine sichtbaren Geburtsverletzungen entstanden sind, kann sich die Vagina wund und gereizt anfühlen. Nach der großen Dehnung ähnelt das Gefühl im Gewebe dem eines Muskelkaters. Es können kleine Mikrofaserrisse entstanden sein. Auch hier gilt: sehr vorsichtig sein und im Zweifelsfall etwas länger warten. Nach einem Kaiserschnitt sollte die Naht ebenfalls schon gut verheilt sein, bevor der erste Sex stattfindet. Das dauert in diesem Fall deutlich länger, da es sich ja um eine große Bauchoperation handelt, nach der die Erholungsphase entsprechend verlängert ist.

Wer ungeschützten Sex haben will, sollte alle vier Stunden stillen. Dann wird das Stillhormon Prolaktin in einem solchen Umfang produziert, dass ein Eisprung verhindert wird. In der Praxis sollte man sich darauf aber nicht verlassen. Schon nach einer längeren Schlafphase des Kindes kann das Hormonlevel stark schwanken. Es variiert zudem von Frau zu Frau, wann der erste Eisprung nach der Geburt wieder stattfindet. Das kann nach vier Wochen sein oder ein ganzes Jahr auf sich warten lassen. Und auch dann ist es gut möglich, dass der Zyklus vorerst unregelmäßig bleibt. Auf das Stillen als einzige Verhütungsmethode sollte man sich also nicht verlassen, es sei denn, man möchte das Risiko geringer Altersabstände bei seinen Kindern eingehen.

In den meisten Kulturen besteht im Wochenbett ein Sextabu

Generell spricht für frische Eltern jedoch nichts dagegen, sich vorsichtig wieder an den Geschlechtsverkehr heranzutasten. Umfragen zufolge haben kurz nach der Entbindung allerdings nur etwa zehn Prozent der Paare Lust auf Sex. Das liegt sicher zum Großteil an der Anstrengung der ersten Zeit und der daraus resultierenden Müdigkeit. Das Baby braucht Tag und Nacht Nahrung, Pflege und Zuwendung. Und in den Pausen dazwischen ist es schwer, die nötige Ruhe und Intimität aufkommen zu lassen, um Lust aufeinander zu bekommen.

Problematisch kann es sein, wenn diese Phase bei einem Partner deutlich länger dauert als beim anderen. Die meisten Mütter sind, zumindest wenn sie stillen, körperlich viel stärker beansprucht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Lustlosigkeit bei ihnen oft länger andauert. Das ist einfach so und lässt sich auch nicht wirklich beschleunigen. Das Einzige, was vielleicht etwas hilft, ist Entlastung von den übrigen Hausarbeiten.

All das ist normal und jedes Paar wird seinen eigenen Weg finden, um mit den neuen Gegebenheiten umzugehen. Viele Paare kompensieren die sexarme Zeit durch vermehrtes Kuscheln und andere alternative Formen der Nähe. Wie immer helfen reden und ausprobieren. Letztendlich wird sich das mit dem Sex irgendwann von selbst wieder regulieren.

Die Autorin ist Hebamme und betreibt zudem den Blogwww.hebammenblog.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen