CDU spielt mit Schmuddelkind

Sachsen-Anhalt Schon in der ersten Landtagssitzung provoziert die AfD die geplante Kenia-Koalition. Dabei kamen die Koalitionsverhandlungen zuletzt gut voran

Reiner Haseloff (CDU) will Ministerpräsident bleiben. Vor der Wiederwahl verpasst ihm seine Fraktion einen Denkzettel Foto: Jens Wolf/dpa

Aus Magdeburg Michael Bartsch

Die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt hat noch vor Abschluss der Vertragsverhandlungen ihren ersten Knacks abbekommen. Bei der konstituierenden Landtagssitzung am Dienstag kam es zu einem Eklat, den die Grünen-Fraktionsvorsitzende Claudia Dalbert als „Belastung für Kooperationen, die gerade im Entstehen sind“, bezeichnete.

Die Wahl des zweiten Landtagsvizepräsidenten hatte gezeigt, dass der designierte Ministerpräsident Reiner Haseloff und Fraktionschef Siegfried Borgwardt die 30-köpfige CDU-Fraktion offenbar nicht geschlossen hinter sich wissen.

Entgegen den parlamentarischen Gepflogenheiten, die Posten des Landtagspräsidenten und seiner beiden Stellvertreter nach Fraktionsstärke zu besetzen, verfehlte Linken-Kandidat Wulf Gallert zunächst die erforderliche Mehrheit. Da die 42 Abgeordneten von Linken, SPD und Grünen nach Angaben der Fraktionsspitzen geschlossen für Gallert votierten, konnten die Gegenstimmen und Enthaltungen neben der AfD nur von der CDU kommen.

Erst nach einer einstündigern Auszeit, Beratungen der Fraktionsvorsitzenden und dem öffentlichen Appell des CDU-Fraktionsvorsitzenden Siegfried Borgwardt an seine CDU, das Amt über die Person zu stellen, kam Gallert im zweiten Wahlgang knapp durch.

Schon bei den beiden vorangegangenen Wahlen zum Landtagspräsidenten und seinem ersten Stellvertreter fiel auf, wie die AfD dank der bloßen Zählkraft ihrer 25 von 87 Abgeordneten das Parlament durcheinanderwirbeln kann: Denn auch der neue Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) erhielt 35 Gegenstimmen. Bei 34 Gegenstimmen wurde der erste Vizepräsident Daniel Rausch (AfD) sicher, aber auch nicht komfortabel gewählt. Zum anderen scheinen Teile der Union eher einer AfD-tolerierten Minderheitsregierung zuzuneigen als dem Bündnis mit SPD und Grünen. Vor allem die Grünen gelten diesem Flügel trotz ihrer nur fünf Abgeordneten als der härteste Knochen bei den Koalitionsverhandlungen, die noch laufen. Über der Ministerpräsidentenwahl, die bis zum 25. April erfolgen muss, schwebt wegen des offensichtlichen Denkzettels, den Haseloff am Dienstag von den eigenen Leuten bekam, ein Fragezeichen.

Dabei schienen die Koalitionsverhandlungen bislang zu laufen, dringen doch aus den streng abgeschirmten Sitzungen kaum Konfliktnachrichten nach außen. Nur zu Beginn der Verhandlungen musste der Koalitionsausschuss eingreifen. Die CDU wollte an der Gemeinschaftsschule rütteln und die verbindliche Schullaufbahnempfehlung wieder einführen. Die war erst 2012 auf Drängen des damaligen Koalitionspartners SPD abgeschafft worden.

Der Spielraum beträgt 50 Millionen, Wünsche gibt es für 500 Millionen Euro

Einen Erfolg verbuchten die Bündnisgrünen bereits bei den Sondierungen: Sie haben die Zusage bekommen, dass es keine neuen Braunkohlekraftwerke oder Tagebauaufschlüsse geben werde. Sie versuchen außerdem durchsetzen, dass die Elbe nicht weiter ausgebaut und Massentierhaltung neu geregelt wird. Ihr Eingeständnis: Sie blockieren die Nordverlängerung der Autobahn A14 nicht mehr so vehement.

Als Streitpunkt zeichnet sich die Finanzierung der Vorhaben ab, für die eigentlich alle Kenia-Partner eintreten, also beispielsweise mehr Lehrer und Polizisten, bessere Ausstattung der Kommunen, bezahlbare Kitagebühren. „Unser Spielraum beträgt 50 Millionen, die Wünsche aber belaufen sich auf 500 Millionen Euro“, sagte der wahrscheinliche Ministerpräsident Reiner Haseloff.

„Die Unterfinanzierung wird man wohl in Prüfaufträgen verstecken“, heißt es dazu aus Kreisen der Linken. Das „hohe gegenseitige Erpressungspotenzial“ bei Kenia werde aber einen kleinsten gemeinsamen Nenner finden lassen.