Bei den Nachbarn

Zeit, wieder mal über die Grenzen zu schauen: Wie unterschiedlich es mit der Rechten in Frankreich, Finnland und Österreich steht

Prinzip Hoffnung

Frankreich Es ist nie zu spät, den Vormarsch der Rechtspopulisten noch zu stoppen – trotz allem

Was für ein Frankreich wünscht sich dieser Herr, der hier die Trikolore schwenkt? Und was tut er wohl dafür? Foto: F. Keyser/M.Y.O.P./laif

AUS PARIS Rudolf Balmer

Es gibt kein politisches oder pä­da­gogisches Erfolgsrezept gegen den Rechtspopulismus, sonst wüsste man das in Frankreich schon. Die einzige Lösung bestünde wohl darin, all die sozioökonomischen und -kulturellen Probleme zu beheben, die die Ängste und Ressentiments erklären, auf denen in Frankreich der Front National gedeiht.

Das ist leichter gesagt als getan. Politisch wurde fast alles ohne Erfolg versucht: den FN in der Öffentlichkeit zu isolieren, gerichtlich gegen die rassistische Propaganda vorzugehen oder aber seine Ideen zu kopieren, um die entlaufenen Wähler zurückzugewinnen. Da sich der FN explizit außerhalb des politischen Establishments situiert, hat die Ausgrenzung aus dem politisch Korrekten sogar eine kontraproduktive Wirkung auf seine Sympathisanten.

Noch zu Beginn der achtziger Jahre hatte kaum jemand gedacht, dass eine aus Altfaschisten, rechtsradikalen Royalisten, katholischen Integristen und Revanchisten der Kolonialepoche zusammengewürfelte Bewegung je einen Massenzulauf haben könnte. Das war der erste Irrtum, der sich in der Folge als verhängnisvoll erweisen sollte.

Die erste Lehre, die man in Frankreich heute ziehen muss: Man hat diese extreme Rechte unterschätzt. Sowohl links als auch in der bürgerlichen Rechten meinte man, mit dem den französischen Idealen so sehr zuwiderlaufenden Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass könne der FN nie und nimmer eine Chance haben. Die Parteien und die Medien vertrauten darauf, dass sich das Familienunternehmen des Parteigründers Jean-Marie Le Pen mit seinem Extremismus selbst zugrunde richten würde.

Die Rechtsextremisten als Faschisten anzuprangern hat diesen kaum je geschadet. In Frankreich hat es höchstens der bürgerlichen Rechten etwas erschwert, offen Allianzen mit dem FN einzugehen. Dafür wurden die bürgerlichen Parteien und ihre Wähler mit der Zeit von seinen Ideen angesteckt. Obwohl der FN weiterhin als „unberührbar“ und nicht koalitionsfähig gilt, erklären sich mittlerweile mehr als ein Drittel der Leute mit seinen „Ideen“ (was auch immer sie darunter verstehen) einverstanden!

Doch es ist nie zu spät, auch in Frankreich den Vormarsch des Rechtspopulismus zu stoppen. Dazu braucht es nicht nur eine Verbesserung der realen Lebensbedingungen der Menschen, die heute oft aus Verzweiflung ihr Heil beim FN suchen. Vor allem muss es der Linken gelingen, diesen Leuten wieder positive Ideale und Gründe zur Hoffnung anzubieten – das war früher der Fall gewesen, bevor die französischen Linksparteien ihre ehrgeizigen Ziele einer radikalen Gesellschaftsänderung aufgaben.

Heute hat man den Eindruck, dass die linken Reformer, die an der Regierungsmacht sind, vor lauter Pragmatismus den Rechten den Anspruch, Hoffnungsträger der Zukurzgekommenen zu sein, kampflos überlassen. Der Kampf gegen extrem rechts beginnt mit dem Prinzip Hoffnung.