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Eine tief gespaltene Gesellschaft

Österreich Die rechte FPÖ führt derzeit mit rund 30 Prozent in den Umfragen. Ihre Korruptionsskandale stören die Wutbürger nicht. Ihre Gegner wünschen sich mehr Unterstützung.

AUS WIEN Ralf Leonhard

Sämtliche Kirchenglocken im Wiener Außenbezirk Liesing begannen zu läuten, als die FPÖ Mitte März auf dem Liesinger Platz die Stimmung gegen Flüchtlinge zu schüren versuchte. Heinz-Christian Strache, der Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs, ist an diesem Tag persönlich gekommen: Er redet zu einer gut tausendköpfigen Menge, die dem Aufruf zu einem Protest gegen ein Flüchtlingsheim gefolgt sind.

Auf der anderen Seite stehen etwa halb so viele linke FPÖ-Gegner, laut Schätzungen der Polizei. Fünf Hundertschaften trennen die Gegendemonstranten von jenen, die sich als „besorgte Bürger“ verstehen. Zwischenfälle können dadurch vermieden werden.

Die Aufmärsche auf engstem Gelände zeigen, wie tief die Gesellschaft durch die Flüchtlingsfrage gespalten ist. Linke Anarchos finden sich auf einer Seite mit der katholischen Kirche. Ältere Damen, deren größte Sorge es ist, dass sie ihren Hund seit Eröffnung des Flüchtlingsheims beim Gassigehen an die Leine legen müssen, stehen neben martialisch auftretenden Skinheads.

Die FPÖ führt mit ungefähr 30 Prozent seit Monaten sämtliche Umfragen auf Bundesebene an. Im Burgenland (mit den Sozialdemokraten) und in Oberösterreich (mit der Österreichischen Volkspartei) sitzen die Freiheitlichen seit vergangenem Jahr in der Landesregierung.

„Einbinden statt ausgrenzen“ heißt die Devise auf Landesebene. Das war auch das Rezept, das Wolfgang Schüssel von der ÖVP im Jahr 2000 ins Bundeskanzleramt brachte. Er rechtfertigte seine Koalition mit der rechten Truppe damit, dass man sie nur so entzaubern könne. Das Experiment schlug fehl: Nach einer Spaltung unter Jörg Haider und dem Absturz auf 5 Prozent sind die Freiheitlichen heute stärker als jemals zuvor. Die Korruptionsskandale aus der Zeit der Regierungsbeteiligung scheinen die Wutbürger ebenso wenig zu stören wie rechtsextreme Auszucker von FPÖ-Funktionären.

„Es geht schon lang nicht mehr um die FPÖ, sondern um das ganze Land“, sagt Niki Kunrath von den Wiener Grünen. Seiner Meinung nach fehlt es nicht an richtigen Antworten, nur wolle sie niemand hören: „Es wird immer schwieriger, Humanität und Menschenrechte als Werte darzustellen.“

Bei der SPÖ werde viel darüber nachgedacht, wie man dem Höhenflug der Rechten begegnen kann, sagt eine Abgeordnete: „Aber bisher mit wenig Erfolg.“ Der sozialdemokratische Bürgermeister Michael Häupl habe im Herbst nicht nur menschlich, sondern auch wahltaktisch richtig die Willkommenskultur verteidigt und einen von vielen Medien herbeigeschriebenen Triumph der FPÖ abgewehrt, meint der Grüne Kunrath: „Zu diesem Zeitpunkt war es der richtige Kurs.“ Inzwischen hat die SPÖ aber einen Kurswechsel vollzogen.

Leichter tut man sich auf lokaler Ebene. Wo die Bürgermeister die Aufnahme von Flüchtlingen unterstützen, da funktioniert das Zusammenleben. „Das beste Mittel gegen Fremdenangst ist Kennenlernen“, sagte jüngst eine Aktivistin im Radio. Manchmal sind es die Gemeindechefs selbst, die die Initiative ergreifen, meistens aber werden sie von Gruppen der Zivilgesellschaft getrieben.

Und so war es auch die Zivilgesellschaft, angeführt vom Poeten André Heller, die Ende Januar eine Konferenz in Wien einberief, wo Bürgermeister vom Libanon über Griechenland bis Niederösterreich und Bayern ihre Erfahrungen austauschen konnten. Der Tenor war nicht: „Wir sind überfordert“, sondern, „Wir schaffen das, aber wir brauchen mehr Unterstützung“.

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