Die Fußballer des HFC Falke spielen ihre Gegner an die Wand. Deshalb haben ihre Fans Zeit für politische Gesänge: „Scheiß-Millionäre“
AM RAND
Klaus Irler
Mein schönstes Erlebnis beim Amateurfußball hatte ich bei der Altherren-Mannschaft des SC Itzum. Die hatte einen Verteidiger, der keine Haare mehr hatte, aber einen mächtigen Bauch und kurze, kräftige Beine. Der gegnerische Torwart machte einen langen Abschlag, der Ball flog im Bogen über das ganze Feld und senkte sich langsam auf den Abwehrspieler nieder.
Dieser stoppte den Ball nicht mit dem Fuß, nein, er hielt ihm seine Plauze entgegen, wo er mit einem satten „Plopp“ landete und kurz liegenblieb. Dann tropfte er auf die Füße des Fußballers, der wie entbrannt losrannte. Eine Plauze auf zwei Beinen, die einen 60-Meter-Abschlag stoppen konnte. Das Alter hat auch Vorteile.
Auch schön ist, was man in diesen Tagen beim HFC Falke im Rudi-Barth-Sportplatz in Eimsbüttel erleben kann. Der HFC Falke ist jener Club, den enttäuschte HSV-Fans vor zwei Jahren gründeten, weil sie die Umwandlung des Hamburger Bundesligisten in eine Aktiengesellschaft nicht mitmachen wollten. Der Name ist eine Anspielung auf einen der Clubs, aus denen 1919 der HSV hervorgegangen war. Das Motto: „Dankbar rückwärts – mutig vorwärts“.
„Vorwärts“, das heißt bei Falke: Mehrere hundert Fans kommen in eine sehenswert unrenovierte, 1959 erbaute Sportanlage und machen denselben Alarm wie im Volksparkstadion. Wie beim HSV gibt es Fahnen, Transparente und Chöre; anders als beim HSV gibt es billiges Bier, viel Mitsprache, engen Kontakt zum Team und am Ende Applaus auch für den Gegner.
Der HFC Falke musste seine Mannschaft 2015 in der niedrigsten Hamburger Liga anmelden, Kreisklasse, 9. Liga. Amateurspieler, die vor professionellen Fans spielen wollten, fanden sich schnell: Die Hälfte der Falke-Spieler kommt aus der Oberliga, das ist die 5. Liga. Deswegen spielt Falke in seiner ersten Saison jeden Gegner an die Wand und ist souverän Tabellenführer. Vergangenen Samstag kam der SV Osdorfer Born mit 1:12 unter die Räder. Es war ein Spiel auf ein Tor vor 430 Falke- und drei Osdorfer Fans.
Bemerkenswert dabei waren weniger die Fahnen und Sprechchöre, bemerkenswert war die Abwesenheit von Gepöbel und Geschimpfe. Kein Schiri ist eine schwarze Sau, kein Osdorfer ein Hurensohn, es gibt einfach keinen Grund zum Schimpfen, wenn die eigene Mannschaft haushoch überlegen ist. Dafür steigen bei jedem Tor Seifenblasen in die Luft und die Fans singen selbstironisch in Erinnerung an alte HSV-Konflikte „Vorstand raus“ oder „Scheiß-Millionäre“ oder „Wir Falken können saufen / Wir sind nicht zu verkaufen“.
Lustig wird es, wenn man sich hinter das Tor setzt, auf das Falke spielt. Dann sieht man viele Tore hautnah und muss ab und zu schnell reagieren, um nicht vom Ball getroffen zu werden. Man wird Teil des Spiels. Insofern ist der HFC Falke Pop. Und eine Sache der Jungen, deren Vorteile auch die Alten sehen.
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