Falsche Panik um Übergriffe im Einkaufszentrum?

Beweislast Zwei Männer sollen Mädchen unerlaubt gefilmt haben. Nur gibt es die Filme gar nicht

HAMBURG taz | Eine Nachricht aus einem Kieler Einkaufszentrum hatte im Februar bundesweit für Aufregung gesorgt: Zwei Männern war vorgeworfen worden, drei jungen Frauen nachgestellt und sie gegen ihren Willen fotografiert und gefilmt zu haben – doch das erwies sich nun zum Teil als haltlos. „Am Tag der Geschehnisse wurden keine entsprechende Bilddateien auf den Handys der Beschuldigten angefertigt“, sagte der Kieler Oberstaatsanwalt Axel Bieler. Das bisherige Ermittlungsergebnis legt nahe, dass das Ausmaß der Ereignisse weniger dramatisch war, als von der Polizei vermittelt.

Der Fall hatte an die Debatte über die Übergriffe der Kölner Silvesternacht angeschlossen. Die Kieler Polizei hatte den Vorfall so geschildert: Zwei junge Männer afghanischer Herkunft hätten drei junge Frauen im Einkaufszentrum massiv belästigt, verfolgt und mit ihren Handys gefilmt. Innerhalb kurzer Zeit hätten sich weitere 30 Personen mit Migrationshintergrund versammelt und die Mädchen beobachtet und durch das Einkaufszentrum verfolgt. Der Wachdienst hatte die Polizei alarmiert.

Nun ist zumindest klar, dass es die Fotos und Videos auf den Mobiltelefonen der Verdächtigten nicht gibt. Für die Polizei ist das peinlich – hatte der schleswig-holsteinische Vizepolizeichef Joachim Gutt doch eine Woche nach den Vorfällen behauptet, man hätte die Fotos gefunden. Drei Tage darauf war die Polizei zurückgerudert, man sei noch mit der Datenauswertung beschäftigt. Über den vorschnellen und falschen Zwischenstand sagte der Sprecher des Landespolizeiamts, Jürgen Börner, das sei damals eben der Stand der Ermittlungen gewesen. „Weitere Ermittlungen haben dann ergeben, dass keine Bilder der Opfer auf den Handys waren.“

Zur allgemeinen Panikmache hatte auch der schleswig-holsteinische Innenminister Stefan Studt beigetragen, der kurz nach dem Vorkommnis einen Termin abgesagt hatte, um gegenüber der Presse zu äußern: „Der Vorfall ist nicht hinnehmbar.“ Zu der übertriebenen Reaktion wollte sich das Innenministerium im Nachhinein nicht ­äußern. Katharina Schipkowski