Neue Printzeitung in England: Täglich ein neuer Tag
„The New Day“ ist die erste Printzeitungsneugründung in England seit 30 Jahren. Die letzte war ausgerechnet der „Independent“ – der nun eingestellt wird.
Die eine kommt, die andere geht. Ende März stellt der britische Independent sein Erscheinen ein, seit Montag gibt es dafür in England The New Day. Es ist die erste Neugründung einer Tageszeitung seit 30 Jahren. Damals war der Independent auf den Markt gekommen. Den wird es künftig nur noch online geben, The New Day verzichtet hingegen auf einen Internetauftritt. Der Online-Markt sei derzeit gesättigt, sagt die Chefredakteurin Alison Phillips, die bisher Redakteurin und Kolumnistin beim Schwesterblatt Mirror war.
Man möchte stattdessen möglichst viele der 500.000 Menschen, die in den vergangenen Jahren keine Zeitung mehr gekauft haben, zum Print zurückholen. „Wir wissen, dass dies nicht einfach eine weitere Zeitung sein kann“, sagt Phillips. „Es muss eine neue Art von Zeitung sein.“ Das ist sie zweifellos. Schon die Aufmachung unterscheidet sich von anderen Blättern. Es ist eine Mischung aus Tageszeitung und Magazin, die 40 Seiten sind geheftet, das Blatt hat kaum Anzeigen.
Und eine politische Linie hat sie auch nicht. Während sich Großbritanniens andere Zeitungen klar zu einer Partei bekennen, pflegt The New Day das Pro und Kontra. In der ersten Ausgabe durfte Premierminister David Cameron von den Vorzügen der EU-Mitgliedschaft schwärmen, eine Lehrerin durfte ihre Skepsis äußern. Wegen dieser Neutralität beschränkt man sich auf den englischen Markt.
Um in den anderen Teilen des Vereinigten Königreichs zu bestehen, müsste man dort Büros eröffnen und Mitarbeiter einstellen, sagt Simon Fox, der Geschäftsführer von Trinity Mirror, der The New Day herausgibt: „Das Letzte, das wir wollen, ist als englisches Produkt abgelehnt zu werden.“
Erst kostenlos, dann 25 Pence, dann 50
In England hingegen wurden am Montag zwei Millionen Freiexemplare verteilt, seit Dienstag kostet die Zeitung 25 Pence, in zwei Wochen verdoppelt sich der Preis. Zielpublikum sind Menschen zwischen 35 und 55, die wenig Zeit haben und sich lediglich einen Nachrichtenüberblick verschaffen wollen. Deshalb enthält The New Day große Fotos und kurze Texte, einige Sportseiten, aber keine Spielberichte, daneben auch vier längere, ernsthafte Stücke – über das bevorstehende EU-Referendum, die Tötung von Albino-Kindern in Tansania, über Schikane an Schulen und die Titelgeschichte über Kinder, die als Pfleger für Verwandte fungieren.
Fox sagt, das Ziel sei eine verkaufte Auflage von 200.000 Exemplaren. Kostendeckend wäre vermutlich bereits die Hälfte. Die Verkaufszahlen bleiben vorerst jedoch geheim, selbst intern. „Wir wollen uns darauf konzentrieren, die bestmögliche Zeitung in den ersten Wochen zu machen“, sagt Fox. „Verkaufszahlen wären dabei nicht hilfreich.“ Erst im Mai will man damit herausrücken.
Neben den Menschen, die überhaupt keine Zeitungen kaufen, will man auch die Leser der Konkurrenzblätter Daily Mail und Daily Express erreichen, sagt Fox. Die eigentliche Konkurrenz sind aber Boulevardzeitungen wie der Daily Star, der 20 Pence kostet, oder der abgespeckte Independent namens i, den es für 40 Pence gibt, und der auch unter einem neuen Eigentümer nach Einstellung des Independent weiter erscheinen wird. Selbst der Daily Mirror aus dem eigenen Haus kostet nur 60 Pence.
Werden genügend Käufer bereit sein, jeden Tag 50 Pence für die neue Tageszeitung zu bezahlen? Trinity Mirror hat aufwendige Fernsehwerbung geschaltet. Fox, der voriges Jahr ein Gehalt von 2,4 Millionen Pfund kassiert hat, ist optimistisch. Schließlich sei das Risiko gering. Das Blatt beschäftigt nur 25 Mitarbeiter, die meisten Artikel kommen von Kollegen des Mirror oder von Nachrichtenagenturen.
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