DER FLEISCHSKANDAL OFFENBART PURE VERBRAUCHER-VERACHTUNG
: Abfall ist Abfall und bleibt Abfall

Ein Prinzip in der Lebensmittelerzeugung lautet: einmal Abfall, immer Abfall. Wer etwas anderes erzählt, verspottet uns und eines unserer elementarsten Bedürfnisse. Unser Ekel ist ein vertrauenswürdigerer Maßstab als die Einflüsterungen irgendwelcher Verharmloser. Auch wenn Kategorie-3-Material von verzehrstauglichen Tieren stammt, ist es in dem Augenblick zu Abfall geworden, als es in die entsprechende Tonne geworfen wurde. Lebensmittelrechtliche Anforderungen wie eine lückenlose Kühlkette oder Hygienemaßahmen sind aufgehoben. Eine grundsätzliche Gefahrenvermutung ist gegeben. Der Verderb nimmt seinen Lauf.

Abfall muss Abfall bleiben. Dass es offenbar anders kommt, liegt auch am geltenden Recht. In der gesamten EU ist der uneingeschränkte Handel mit Schlachtabfällen der Kategorie 3 erlaubt. Ob es Zufall ist, dass keinerlei Meldevorschriften oder behördliche Dokumente verlangt werden, darf bezweifelt werden. Selbst aufmerksame Kontrolleure haben es da nicht eben leicht, Betrug aufzudecken. Vierzehn Millionen Tonnen Kategorie-3-Abfälle sollen jedes Jahr durch Europa vagabundieren. Wie zuverlässig die Zahl ist, bleibt dahingestellt. Bei einer Foodwatch-Umfrage im Sommer konnte keine Behörde angeben, wie viel Abfall in ihrem Zuständigkeitsbereich anfällt. Man verwies allenthalben auf die Statistiken der Entsorger. Nicht eben beruhigend.

Zum Glück für uns alle gelten bei Zoll und Staatsanwaltschaften offenbar andere Maßstäbe. Das Gezerre um die von Bayern angekündigte Rückholaktion und um die Bekanntgabe von Produkten, in denen Abfall steckt, offenbart freilich noch mehr: Parlamente und Regierungen in Bund und Ländern sind seit Jahren den Einflüsterungen einer mächtigen Lobby aus allen Zweigen der Ernährungswirtschaft erlegen. Sie sind es, die den Bürgern zumuten, ohne jedes Recht auf Wissen Abfall zu essen. Kann man das anders als Verachtung nennen? Brauchbare Gesetze und Informationsrechte für Verbraucher müssen her. Seehofer, übernehmen Sie! MATTHIAS WOLFSCHMIDT

Der Autor ist stellvertretende Geschäftsführer von Foodwatch