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Kommentar AtomausstiegZu spät für eine gute Lösung

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Der Staat muss einen hohen Preis von Akw-Betreibern verlangen. Denn die brauchen dringend eine Einigung bei den Endlagerkosten.

Ausgebrannt. Wer soll für die Lagerung des Atommülls zahlen? Foto: dpa

N ein, gerecht klingt es wirklich nicht, was die Kommission unter Leitung von Jürgen Trittin zur Finanzierung der Atom-Altlasten vorschlägt: Die Konzerne, die jahrzehntelang Milliarden mit der gefährlichen Technik verdient haben, bekommen offenbar ihren Wunsch erfüllt, das finanzielle Risiko für die Endlagerung des strahlenden Mülls zu einem großen Teil auf den Staat zu übertragen.

Entweder zahlen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall neben den Rückstellungen, die sie für die Endlagerung gebildet haben, vorab einen Risiko-Aufschlag in noch unklarer Höhe an den Staat und sind die Verantwortung damit vollständig los. Oder sie geben nur die Rückstellungen ab und haften weiterhin für Mehrkosten – aber auch dann maximal bis zur doppelten Höhe und nur bis zur Fertigstellung des Endlagers. Steigen die Kosten noch stärker oder gibt es nach der Einlagerung noch Probleme – die Asse lässt grüßen – zahlt dafür allein der Steuerzahler.

Doch die Lösung, die Opposition und Umweltverbände fordern – dass die Konzerne weiterhin unbegrenzt für die Endlagerkosten haften –, ist leider auch nicht praktikabel. Die Sorge, dass ein solches Risiko in nicht bezifferter Höhe die Kreditwürdigkeit und damit die Überlebensfähigkeit der Unternehmen bedroht, scheint durchaus berechtigt.

Und wenn die Stromkonzerne vor Fertigstellung des Endlagers pleitegehen, zahlt auch der Steuerzahler. Eine wirklich gute Lösung wäre möglich gewesen, solange die Konzerne wirtschaftlich stark waren – heute ist es dafür zu spät.

Eine Obergrenze für die Haftung ist also sinnvoll. Dafür muss die Politik einen hohen Preis verlangen. Dazu gehört nicht nur ein hoher Aufschlag auf die Rückstellungen, um alle künftigen Risiken abzudecken. Sondern auch die Zusage, alle Klagen gegen den Atomausstieg zurückzuziehen. Die Konzerne brauchen die Einigung dringender als der Staat. Die Politik kann und muss darum hart verhandeln.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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5 Kommentare

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  • Trittins Aufgabe als Umweltminister wäre es gewesen, den Atomunternehmen und ihren Aktionären so effektive Haftungsregeln aufzudrücken, dass sie freiwillig aus der Atomenergie aussteigen. Damals war bzgl. Haftung auch noch mehr zu holen (bemessen am Börsenwert der Unternehmen).

     

    Warum macht man einen Mann, der damals schon versagt hat, nun zum Chef eine Kommission, die u.a. die Hinterlassenschaften seiner Amtszeit aufräumen soll?

  • Mit einer Holding-Lösung können die Interessen gewahrt bleiben: Die aktiven Energieunternehmen in Tochtergesellschaften bleiben solvent und können neues Kapital aufnehmen. Die Muttergesellschafter haften für die Atom-Altlasten und gehen ggf. in die Insolvenz. Dann ist zwar am Ende auch der Steuerzahler der Geschädigte, aber es ihm bleibt der Zugriff auf den Unternehmenswert der genannten Tochtergesellschaften in voller Höhe.

     

    Interessant dass nun gerade Trittin diese Geschenke verteilt, der als Umweltminister auch nur einen "Ausstieg" zustande bekommen hatte, der von CDU/FDP gleich wieder kassiert werden konnte (ohne Fukushima würde die Laufzeitverlängerung noch gelten) und offenbar nicht für ausreichende Rückstellungen gesorgt hat.

  • Wer bitte hat jemals geglaubt, dass diese Kosten jemand anderer tragen muss wie der Steuerzahler? Da gehört wohl schon ein kräftiger Schuss Naivität dazu und da unsere Volksvertreter einzig und allein dem Kapital verpflichtet sind kann einem dieses Ergebniss auch nicht wirklich verwundern.

    Wer behauptet denn seit jahrzenten, dass der Atomstrom mit abstandt die günstigste Stromerzeugung ist.

    Stimmt auch, aber nur wenn man die Kosten für die Entsorgung aussen vor lässt.

    Wenn das Argument kam, dass der Atomstrom so günstig sei, habe ich nur ganz selten das Gegenargument gehört oder gelesen, dass in den Kosten nie die Entsorgung mit eingerechnet wurden, da man ja wie wir nun wieder sehen eine absolut unbekannte Größe ist.

    Aber was solls nach uns die .....

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Die Bilanzen der Versorger sehen schlimm aus. Ich vermute, sie werden in den nächsten Jahren geplante Insolvenzen herbeiführen, um so allen Zahlungen zu entgehen. Wenn es das Unternehmen nicht mehr gibt, ist auch nichts zu holen. Vorher wird natürlich noch kräftig Dividende ausgeschüttet.

  • Angela Merkel sollte auch bezahlen: Sie hat mit ihren 2 Rückwärtsrollen den bereits von der grün-roten Vorgängerregierung rechtssicher gestalteten Atomaussieg ins Chaos gestürzt.